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Nach Dem Sommer

Nach Dem Sommer

Titel: Nach Dem Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Stiefvater
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mich verwandelt hätte -, und ich hätte mich liebend gern in Grace' Bett oder auf das Sofa verkrochen, um ein Nickerchen zu halten. Um mich wach zu halten, ließ ich Grace unten im schwindenden Licht, das durch die Fenster fiel, mit ihren Hausaufgaben allein und ging nach oben, um mir das Atelier ihrer Mutter anzusehen.
    Es war leicht zu finden; im Flur in der oberen Etage gab es nur zwei Türen und aus einer davon drang ein Geruch, chemisch, nach Orange. Die Tür stand ein Stück offen. Ich stieß sie auf und blinzelte. Der ganze Raum war hell erleuchtet mit Lampen, die das Tageslicht simulieren sollten, mit dem Ergebnis, dass die Atmosphäre dort mich an irgendetwas zwischen einer Wüste in der Mittagssonne und einem Wal-Mart erinnerte.
    Die Wände verschwanden hinter Bergen von Leinwänden, die an jede gerade Fläche gelehnt waren. Wunderschöne Farborgien, realistische Figuren in unrealistischen Posen, gewohnte Formen in ungewohnten Farben, das Unerwartete an ganz normalen Orten. Die
    Bilder anzusehen, war, als versänke man in einem Traum, wo alles, was man kennt, irgendwie fremdartig ist. Anything's possible in this lush rabbit hole / Is it mirror or portrait you've given to me? / All of these permutations of dreams will patrol / this lovely wasteland of color I see.
    Ich stand vor zwei überlebensgroßen Gemälden, die an der Wand lehnten. Beide zeigten einen Mann, der eine Frau auf den Hals küsste - gleiches Motiv, aber total unterschiedliche Farben. In einem herrschten Rot- und Purpurtöne vor. Es war grell, hässlich, kommerziell. Das andere war dunkel, blau, fliederfarben, schwer zu deuten. Unaufdringlich und angenehm. Es erinnerte mich daran, wie ich Grace in dem Buchladen geküsst hatte, daran, wie sie sich in meinen Armen angefühlt hatte, warm und wirklich.
    »Welches gefällt dir besser?«
    Die Stimme ihrer Mutter klang offen und freundlich. Ich hatte den Eindruck, dass das ihre Galeriepersönlichkeit war, die sie benutzte, um die Geldbörsen der Betrachter hervorzulocken und in einem unbeobachteten Moment abzuschießen.
    Ich neigte meinen Kopf dem blauen zu. »Gar keine Frage.«
    »Nicht?« Sie klang ehrlich überrascht. »Das hat bisher noch niemand gesagt. Das hier ist sehr viel beliebter.« Sie trat in mein Blickfeld und ich sah, dass sie auf das rote wies. »Von dem habe ich schon Hunderte verkauft.«
    »Es ist sehr schön«, bemerkte ich höflich, und sie lachte.
    »Es ist scheußlich. Weißt du, wie sie heißen?« Sie zeigte auf das blaue, dann auf das rote. »Liebe und Lust.«
    Ich grinste sie an. »Den Testosterontest hab ich wohl nicht bestanden, was?«
    »Weil du dich für Liebe entschieden hast? Finde ich nicht, aber das ist meine Meinung. Grace hat mir mal gesagt, dass es ziemlich blöd
    von mir ist, dasselbe Motiv zweimal zu malen. Außerdem meinte sie, dass auf beiden seine Augen zu eng zusammenstehen.«
    Ich lachte in mich hinein. »Ja, das klingt ganz nach Grace. Aber sie ist ja auch keine Künstlerin.«
    Sie verzog bedauernd den Mund. »Nein. Sie ist eher praktisch veranlagt. Ich weiß gar nicht, von wem sie das hat.«
    Langsam ging ich weiter zu der nächsten Bilderserie - wilde Tiere zwischen Reihen von Kleiderständern, Rehe auf den Fensterbänken eines Hochhauses, aus einem Gully emporlugende Fische. »Und Sie sind enttäuscht darüber.«
    »Oh nein. Nein. Grace ist eben Grace, man muss sie einfach nehmen, wie sie ist.« Sie blieb ein bisschen hinter mir zurück, ließ mich in Ruhe die Bilder ansehen. Ihr jahrelanges, unterbewusstes Verkaufstraining zeigte sich. »Und ich glaube, so wird sie es einfacher haben im Leben, wenn sie einen schönen, normalen Beruf hat, von dem sie gut und sicher leben kann.«
    Ich sah sie nicht an, als ich antwortete: »Die Mutter, wie mich dünkt, gelobt zu viel.«
    Sie seufzte. »Wahrscheinlich hätte jeder gern, dass sein Kind einmal wird wie er selbst. Aber Grace interessiert sich nur für Zahlen und Bücher und will immer wissen, wie irgendwelche Sachen funktionieren. Manchmal ist es einfach schwer für mich, sie zu verstehen.«
    »Genauso wie umgekehrt.«
    »Ja. Aber du bist auch Künstler, oder? Du musst einer sein.«
    Ich zuckte mit den Schultern. Neben der Tür des Ateliers hatte ich einen Gitarrenkoffer bemerkt und es juckte mich in den Fingern, passende Akkorde zu den Melodien in meinem Kopf zu finden. »Aber nicht Malerei. Ich spiele ein bisschen Gitarre.«
    Eine ganze Weile sagte sie gar nichts und beobachtete mich nur dabei, wie ich

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