Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
als ein weiterer Sturm gekommen war und alles weggefegt hatte. Zweimal hatte er zwei Wände geschafft. Zweimal mehr war er sogar bis zur dritten gekommen. Aber die vierte hatte er nie begonnen, weil die anderen vorher zerstört wurden.
Es hatte kein großes Zimmer werden sollen. Eine Weile bräuchte sie kein großes Zimmer, hatte Elisa gesagt. Später kannst du uns dann ein großes Haus bauen mit Zimmern groß wie Konzertsäle. Von welchem Geld denn, wollte er wissen. Da zuckte sie mit den Schultern und sagte, darüber denken wir nach, wenn es so weit ist. Also sollte es erst mal ein ganz normales Zimmer werden, das an ein ganz normales Haus angebaut wurde, aus dem gleichen gelben Backstein wie der Rest dieses bescheidenen Heims im Ranch-Stil. Ein ganz normales Zimmer für etwas, das ihrer Ansicht nach ein ganz normales kleines Mädchen werden würde. Ein Zimmer, in dem sie schlafen, spielen und groß werden konnte. Vor vier Jahren war das Fundament gegossen worden, noch bevor es unmöglich wurde, überhaupt ein Fundament zu gießen, und bevor es unmöglich wurde, sich so etwas wie ein zusätzliches Zimmer bei einem Haus vorzustellen.
Jetzt war da nur noch der Regen. Und der Sturm. Während des Sturms. Nach dem Sturm. Man konnte kaum noch erkennen, wo der eine Hurrikan aufhörte und der nächste begann.
Er nippte an seinem Kaffee und zündete sich eine Zigarette an.
Das verdammte Holz wird niemals trocknen, dachte er. Er hatte immer wieder darüber nachgegrübelt, wie man eine Mauer mit nassem Holz einrüsten könnte, auf einem nassen Untergrund, bei Windstärke zwölf, aber er war nie drauf gekommen. Solange die Naturgesetze sich nicht änderten, würde es nicht funktionieren. Er kratzte sich den Bart. Trank den Rest seines Kaffees. Schaute aus dem Fenster und rauchte die Zigarette zu Ende. Dann entschloss er sich nachzuschauen, ob Charlie vielleicht in der Gegend war.
Er kletterte auf einen Stuhl in der Küche und nahm ein Stück der Deckenverkleidung heraus, das Wasserflecken hatte, schob seine Hand in die entstandene Öffnung und zog eine Zigarrenkiste heraus. Er klappte den Deckel auf. Darin stapelten sich Geldscheine. Er nahm sich vierhundert Dollar, faltete sie zusammen und steckte sie in die Vordertasche seiner Jeans. Nachdem er die Kiste wieder in die Öffnung geschoben hatte, setzte er die Platte wieder in die Decke ein und nahm das Radio vom Küchentresen. Er schaltete es ein und hielt den Lautsprecher dicht ans Ohr. Wie aus weiter Ferne war die Stimme eines Mannes zu hören, die immer wieder von statischem Rauschen übertönt wurde. Er schaltete den Apparat ab, ging zum Feldbett, griff nach seinem Regenmantel und der Strickmütze und zog sie an. Dann ging er zum Schrank, nahm die abgesägte Schrotflinte heraus, gab der leeren Patronenschachtel einen Tritt und prüfte nach, ob die einzige Patrone, die er noch hatte, in der Kammer steckte. Der Hund trottete durchs Zimmer, blieb neben ihm stehen, folgte ihm dann zur Tür, hielt aber davor an.
»Ich lass die Tür für dich offen«, sagte Cohen. Der Hund schaute zu ihm hoch, dann nach draußen in den Regen, und ging wieder rein.
Cohen lief zum Jeep, setzte sich hinters Steuer und legte die Schrotflinte auf den Beifahrersitz. Er hatte Löcher in die Bodenplatten gebohrt, damit das Wasser durchlief. In der Regenplane hatte sich sehr viel Wasser angesammelt. Er betätigte den Anlasser und lenkte den Jeep über den Vorplatz auf die matschige Landstraße zu. Die Reifen hinterließen tiefe Spuren im Erdboden.
Am Ende der Straße erreichte er den zweispurigen Highway, der zu der zerstörten Interstate führte, die parallel zum Ufer verlief. Im Westen war der Himmel jetzt hellgrau, aber im Südosten ballten sich dicke Wolkenmassen zusammen. Er fuhr auf den Highway und gab Gas. Der kalte Regen prasselte gegen die Windschutzscheibe. In einer Senke bremste er ab, weil er durch eine größere Wasserfläche fahren musste. Er schaute starr nach vorn zu der Stelle, wo die Wasserfläche endete und die Straße wieder sichtbar wurde, in der Hoffnung, bald wieder festen Grund zu erreichen, ohne vorher vom Asphalt abgekommen zu sein, den er unter dem schmutzigen Wasser nicht erkennen konnte. Er schaffte es, die Wasserfläche zu durchqueren, und nach einigen Meilen erreichte er eine Kreuzung mit einer alten Tankstelle. Hier hatte er früher immer geröstete Erdnüsse gekauft, von einem Mann, der auf dem Parkplatz in der geöffneten Hecktür seines Lasters saß. Nach der
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