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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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schaute zu. Er sah durch die Fensterfront nach draußen, bis auf dass keine Fenster mehr da waren und der Wind hereinwehte. Das Gewitter war jetzt direkt über ihnen, und draußen flammten ständig Blitze auf, grell und scharf vor dem grauen Himmel. Der Regen hatte nachgelassen und fiel jetzt ganz gleichmäßig. Cohen rauchte seine Zigarette zu Ende, trat sie auf dem Teppichboden aus und machte es sich bequem, legte den Kopf zurück gegen die Wand und schloss die Augen.
    Seine Gedanken drifteten umher, und er merkte, dass er über Mariposa nachdachte. Ihm fiel ein, wie sie in Elisas schwarzem Kleid vor ihm gestanden hatte, weil sie dachte, das wäre es, was er sich von ihr wünschte.
    Er schlug die Augen auf und sah sie auf dem Fußboden sitzen, wo sie versuchte, einen Hebel an ein blau schimmerndes Spielzeug zu montieren. Sie hatte sich die Hemdsärmel hochgeschoben. Ihre Unterarme sahen mädchenhaft aus, aber ihre Schultern und ihr Brustkorb wirkten weiblicher. Sie kniff die Lippen zusammen, während sie den Hebel einpasste. Ihr Haar war schwärzer als die dunkelste Nacht, und er bemerkte, wie sanft ihre Augen dreinblickten, wenn sie sich auf etwas konzentrierte und die Umgebung vergaß. Er fragte sich, ob sie wohl schon zwanzig war, wahrscheinlich nicht. Er fragte sich, ob sie sich wieder neben ihn legen würde, wo auch immer sie heute Nacht schliefen. Der Hebel rastete ein, und sie hielt das Spielzeug vor sich hin und schaute es zufrieden an. In diesem Moment merkte sie, dass Cohen sie beobachtete. Sie schlug verlegen die Augen nieder, aber dann sah sie ihn zufrieden an.
    Er stand auf, ging zur Ladenfront und versuchte, sich eine Zigarette anzuzünden. Es ging nicht, weil es zu windig war. Er trat durch die Tür nach draußen und ging über den mit Unrat übersäten Bürgersteig zum Möbelladen. Genau wie das Lebensmittelgeschäft war er komplett ausgeräumt worden, von den Inhabern, nicht von Plünderern oder Tieren. Die vordere Fensterfront war noch intakt. Er trat einen Schritt zurück und schaute sein Spiegelbild an. Seit langer Zeit sah er sich wieder im Ganzen und bemerkte, dass er dünn geworden war. Sein Bart wuchs ungleichmäßig. Er lehnte sich zur Seite, weil er sein Gewicht immer auf das gesunde Bein verlagerte. Er bemerkte, dass er nicht die Zigarette in der Hand hielt, sondern in seiner Jackentasche ganz unbewusst nach der Pistole gegriffen hatte.
    Er schob die Waffe wieder zurück, nahm die Hand heraus und machte ein Peace-Zeichen. Dann schoss er auf den Vogel. Dann drehte er die Hand zur Seite und machte einen Hund. Als ihm keine Symbole mehr einfielen, tat er so, als würde er das Baby halten, und fragte sich, wie er wohl aussah mit einem Kind im Arm. Er dachte an den winzigen Jungen und wie fehl am Platz er in dieser Gegend wirkte. Ein Kind des Donners. Sie alle waren hier völlig fehl am Platz. Lange Zeit hatte es für ihn Sinn ergeben, hier unten zu bleiben, aber jetzt nicht mehr. Er hatte genug von dem ewigen Regen, eigentlich schon seit Monaten, er hatte auch genug von der Kälte und dem Wind und auch davon, dieses gottverdammte Zimmer zu bauen, wie er es sich geschworen hatte. Er wusste, wenn er eines Tages über die Linie ging, vielleicht morgen oder in einer Woche oder in einem Jahr oder in fünf Jahren, dann würde er sich schuldig fühlen, weil er sie hinter sich ließ. Er wusste, dass ein Teil von ihm immer wieder zurückkehren wollte. An den Ort, um sich vorzustellen, wie sie gewesen war, und um sich draußen vor die beiden Grabsteine zu hocken und mit ihnen zu sprechen. Er nahm nicht an, dass es jemals einen Zeitpunkt geben könnte, wo er den Drang, bei ihnen zu bleiben, nicht mehr verspürte. Aber er merkte, dass er jetzt etwas Neues begonnen hatte, und das wollte er zu Ende bringen.
    Er ließ die Hände herabfallen und starrte sein Spiegelbild an. Er betrachtete sich, als wäre er jemand, der ihm gegenüber hinter der Scheibe stand. Jemand, den er von irgendwoher kannte, nur konnte er sich nicht mehr erinnern, wer das war. Und der Fremde starrte ihn mit dem gleichen ratlosen Gesichtsausdruck an.
    Sie sahen einander an, und ihr neugieriges Mustern wurde unterbrochen von einem merkwürdigen Donnern. Als er sich umdrehte, war es gar kein Donnergrollen, sondern das Geräusch eines Motors, der zu einem riesigen Lastzug in Tarnfarben gehörte, dessen Reifen fast mannshoch waren und der auf sie zufuhr, während ein Suchscheinwerfer über der Fahrerkabine einen scharfen Lichtstrahl durch

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