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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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Kleidersack und ging los, um sich eine ruhige Ecke zu suchen. Den Sack zog sie hinter sich her.
    Sie fanden Kisten, die ihnen als Sitzgelegenheiten dienten, und nach einer halben Stunde setzten sie sich zum Essen nieder. Der Wind wehte den Regen durch die offene Tür und fuhr heulend und pfeifend durch die Windkanäle des ramponierten Gebäudes. Sie aßen schweigend. Alle waren fix und fertig, und es kam ihnen vor, als wären sie schon ewig unterwegs.
    Cohen hatte eine trockene Jeans und ein Hemd gefunden und sich im Büro des Filialleiters umgezogen. Kris schüttelte die Milch im Fläschchen, trug das Baby zu Cohen und fragte ihn, ob er es ihm geben wollte.
    »Ich weiß nicht, wie das geht«, sagte er.
    »Genau das ist der Punkt«, sagte sie. »Eines Tages musst du das vielleicht wissen.«
    Sie hielt ihm das Baby hin. Cohen schaute sie skeptisch an, streckte dann aber die Arme aus und nahm das Baby entgegen. Der Kleine strampelte, weil er Hunger hatte, und Kris zeigte Cohen, wie er ihn halten musste, damit er gut trinken konnte.
    »Geht das so?«, fragte er.
    Sie zuckte mit den Schultern und gab ihm das Fläschchen. »Wenn du eine andere Möglichkeit entdeckst, sag Bescheid.«
    Er schob dem Baby den Sauger in den Mund. Der Kleine kämpfte erst ein wenig damit, aber dann nahm er ihn in den Mund und begann zu trinken. Cohen ging zu einem Stapel Paletten und setzte sich hin. Er schaute zu, wie das Baby mit geschlossenen Augen saugte, spürte den Rhythmus und den Atem des kleinen Körpers.
    Er beugte sich vor und flüsterte: »Ich hab deine Mama begraben. Ich wollte nicht, dass sie da draußen liegt und von den Tieren gefressen wird.«
    »Er muss ein Bäuerchen machen, wenn er fertig ist«, sagte Kris.
    »Der Kleine, nicht du«, sagte Nadine. Sie streckte sich auf dem Betonboden aus, stemmte den Ellbogen auf und legte das Kinn auf die Handfläche. Sie griff gelangweilt nach dem Essen, als hätte sie nie etwas entbehren müssen. Evan und Brisco zählten die Wiener Würstchen, fügten eins hinzu zählten erneut, nahmen zwei weg und zählten wieder.
    Mariposa aß Süßkartoffeln aus der Dose und kam jetzt herüber, um sich neben Cohen zu setzen. Sie berührte die Hand des Babys, die Haut war rosig und runzelig.
    »Mein Vater hatte einen Laden«, sagte sie. »Aber nicht so einen großen wie den hier.«
    »Wo?«
    »In New Orleans, mitten drin. Ursuline, Ecke Dauphine.«
    »Klingt nach einem guten Standort.«
    »War es auch, glaube ich.«
    »Überflutet?«
    Sie schwieg. Warf die Dose auf den Boden, wo sie, vom Wind getrieben, fortrollte. »Irgendwann schon. Wie alles andere auch. Aber er wurde erschossen, bevor es so weit war. Als alle durchdrehten und die Situation unberechenbar wurde. Als die Leute weg wollten und alles mitnahmen, was sie kriegen konnten. Er wollte es ihnen nicht geben. Er und mein Onkel haben die Türen verrammelt und mit der Schrotflinte Wache gehalten, bis sie die Tür eintraten und trotzdem reinkamen. Und das war’s dann.«
    Cohen rückte das Baby und das Fläschchen zurecht. Er sah, dass Mariposa die Augen geschlossen hatte. »Fass mal in meine Brusttasche«, sagte er. Sie zog die Zigarettenpackung heraus, und er fragte sie, ob sie eine wollte. Sie schüttelte den Kopf und behielt das Päckchen in der Hand. Er fragte sie, wie sie hier unten hergekommen war.
    »Ich hab mich mitnehmen lassen«, sagte sie und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß auch nicht, wo ich eigentlich hinwollte.«
    »Ist ja auch nicht einfach, herauszufinden, was man tun soll.«
    Sie nickte.
    »Da geht’s mir wie dir«, sagte sie und schaute ihn an.
    Er nickte leicht, als wäre er überrascht. »Wie allen hier«, sagte er dann.
    Evan kam zu ihnen und fragte, ob sie sich nicht mal umschauen sollten. Vielleicht gab es ja irgendwo etwas, das sie gebrauchen konnten.
    Cohen stand auf und gab Kris das Baby und die Flasche.
    »Wie war es?«, fragte sie.
    »Interessant.«
    Mariposa sah aus, als wollte sie noch mehr sagen, aber dann setzte sie sich zu Kris und Nadine. Brisco trat zu Evan, fasste ihn an der Hand und sagte, lass uns gehen.
    »Möchtest du die hier nicht?«, fragte Mariposa und hielt Cohen die Zigarettenpackung hin. Als er danach griff, hielt sie sie einen Moment lang fest und ließ sie dann erst los.
    Cohen nahm eine Zigarette heraus, zündete sie an und ging mit den Jungs los.
    »Ich muss immer an diese ganzen Toten denken«, sagte Nadine. »Wie viele sind es wohl gewesen?«
    »Mindestens fünfzehn oder so«, sagte

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