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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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Kris.
    Nadine setzte sich auf und schüttelte den Kopf. »Ich frage mich, ob das überhaupt eine gute Idee war.«
    »Wir hatten doch gar keine Wahl«, sagte Mariposa.
    Nadine stand auf. Sie lief unruhig auf und ab und rieb sich nervös die Hände. »Wir hatten lange Zeit keine Wahl, und als wir dann doch eine hatten, gab es nur schlechte Möglichkeiten.«
    »Wir sind dort weggegangen«, sagte Kris. »Das war eine gute Alternative.«
    »Jetzt müssen wir nur noch irgendwo ankommen«, sagte Mariposa.
    »Weiß ich auch, verdammt.«
    »Cohen wird uns helfen«, sagte Mariposa. »Und wir haben Autos.«
    »Nur fehlt uns das Benzin. Und Cohen ist auch nicht kugelsicher.«
    »Wir werden schon was finden«, sagte Kris.
    »Wo denn?«, fragte Nadine.
    »Keine Ahnung, Irgendwo halt. Setz dich wieder.«
    Das Baby war eingeschlafen und saugte noch immer an der Flasche.
    »Leg irgendwas Weiches da drüben hin«, sagte Kris und deutete mit dem Kopf auf einen leeren Platz im Lagerraum. Mariposa stand auf und zog ein paar Hemden aus dem Müllsack. Sie faltete sie in einer schattigen Ecke zusammen und kam zurück, um Kris das Baby abzunehmen. Sie ging in die Ecke, legte das Baby aber nicht gleich hin. Sie hielt es fest. Schaute es bewundernd an.
    Nadine beugte sich zu Kris und sagte leise: »Sie hat ein Problem.«
    Kris nickte.
    »Sie soll bloß aufpassen. Ungefähr zwölf Sekunden nachdem wir die Linie überquert haben, lässt er uns fallen wie einen Sack voll Dreck.«
    Kris grinste Nadine an. »Aber wir wissen ja beide, dass da nichts zu machen ist.«
    Nadine setzte sich wieder auf und verzog das Gesicht.
    Der Regen prasselte auf das Gebäude. Auf alles.
    Mariposa stand in der Ecke und wiegte das Baby sanft hin und her.
    »Weiß du, wohin du willst, wenn wir dort ankommen?«, fragte Nadine Kris.
    »Ins Krankenhaus. Falls es eins gibt.«
    »Nein, das nicht. Du weißt, was ich meine.«
    Kris verschränkte die Arme und schaute zu Boden. »Eigentlich nicht.«
    Nadine streckte sich aus und legte die Hände unter den Kopf. »Ich auch nicht. Ich hatte mal Verwandte in Aberdeen, aber die sind wahrscheinlich nicht mehr dort. Und irgendwo leben meine Brüder.«
    »Ich dachte mir schon, dass du Brüder hast.«
    »Wieso das denn?«
    »So, wie du sitzt und die Hände hältst. Du benimmst dich immer so, als müsstest du jeden Moment einen Angriff abwehren.«
    »Scheiße, du hast ja keine Ahnung. Drei Brüder und alle älter. Cousins, überall nur Jungs. Und ich war die Jüngste. Wuchs auf einer gottverdammten Hühnerfarm auf. Und zu allem Überfluss war meine Mutter die härteste Tussi, die man sich überhaupt vorstellen kann.«
    Kris lachte und stützte sich auf den Ellbogen. »Das kenne ich alles nicht. Ich war ein Einzelkind.«
    »So etwas nenne ich das Paradies.«
    Nadines letztes Wort blieb zwischen ihnen stehen. Paradies. Sie waren so weit entfernt von allem, was dieses Wort ausdrückte, dass es kaum möglich war, sich darunter etwas vorzustellen.
    »Ich wollte dir noch sagen, dass mir das leidtut«, sagte Nadine.
    »Was?«
    Nadine deutete auf ihren Bauch. »Es tut mir leid, dass das passiert ist.«
    Kris legte eine Hand auf den Bauch, beschrieb einen Kreis damit. »Mir tut es viel mehr leid um Lorna als um mich«, sagte sie.
    Nadine nickte. Dann drehte sie sich auf den Bauch, legte den Kopf auf die Hände und schaute Kris an.
    »Vielleicht liege ich ja falsch mit all meinen Befürchtungen. Vielleicht kommen wir ja tatsächlich irgendwo an. Vielleicht wird alles gut. Aber ich schwöre dir, ich habe genauso viel Angst davor, zur Linie zu kommen, wie nicht dorthin zu kommen. Uns ist doch überhaupt nichts geblieben.«
    Kris legte sich rücklings auf den Boden und starrte die nackten Eisenträger unter der Decke an. Nadine drehte sich um und vergrub ihr Gesicht in der Armbeuge.
    »Wo sind deine Brüder jetzt?«, fragte Kris.
    »Wo Aggie sie hingebracht hat«, sagte Nadine mit erstickter Stimme, ohne den Kopf zu heben. »Wir sind runtergekommen, um das in Sicherheit zu bringen, was von unserem Haus und unserem Besitz noch übrig war. Aggie und Joe kamen vorbei und sahen aus, als wären sie am Verhungern. Sie spielten das richtig gut. Nachts hab ich in der Fahrerkabine von Eddies Laster geschlafen. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, waren sie alle weg. Und Aggie saß in der Hecktür und rauchte eine Zigarette.«
    Nadine drehte sich auf den Rücken. »Ich weiß nicht, wo ich hingehen könnte. Und wenn es einen Ort gäbe, dann ist bestimmt

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