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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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war er so euphorisch begrüßt worden, dass er um seine Rippen fürchten musste; schon gar nicht von einer fremden Frau. Ihm fehlten die Worte. Ein Schwall Säure schoss auf seine Zunge, und für einen rasiermesserscharfen Moment glaubte er, sich keine Minute länger in Brains Wohnung aufhalten zu können. Der Herzschlag passte sich dem Gedanken an, und er sah sich bereits aus dem Raum stürmen, als ihn eine verstohlene Berührung in seinem Rücken stabilisierte. Zwei Finger rieben sacht über die Wirbel oberhalb seines Gürtels. Andreas kam es vor, als wäre ein Stahlträger hinter ihm aufgetaucht.
    »Tja«, brachte er mit hochrotem Kopf hervor. »Anscheinend kennt mich jeder, hm? Dann brauche ich ja gar nicht mehr viel sagen.«
    »Nicht so gut, wie wir gerne würden«, gab Isabell eine Spur verhaltener zurück, dafür aber so herzlich, dass Andreas gar nicht anders konnte, als ihr Lächeln zu erwidern. »Oder, Brain? Und was bist du eigentlich für ein mieser Gastgeber? Deine Freunde sitzen auf dem Trockenen, und du frisst meinen Salat auf.«
    »Im Westen nichts Neues«, murmelte Sascha. Zum Dank flog eine Nudel in seine Richtung, der er nur ausweichen konnte, indem er sich an Andreas drückte. Dieser spürte seinen Arm zucken, der aus unerfindlichen Gründen Anstalten machte, sich um Saschas Seite zu schlingen.
    Das wird ein harter Abend, dachte Andreas heimlich. Weiter kam er nicht, denn Isa griff nach seiner Hand und zerrte ihn nach draußen, um ihn mit Getränken und Pizzabrötchen einzudecken.

    Um 23.39 Uhr, 0 : 12 Uhr und 0 : 45 Uhr wollte die Angst ihn niederringen. Andreas wusste es genau, weil er – entgegen den ihm auferlegten Spielregeln – auf die Uhr seines Handys schaute. Sie drängte sich ihm zwischen Bier und fremden Leuten auf, fuhr ihm in die Knochen und bereitete sich auf den Großangriff vor.
    Es waren hässliche Momente, in denen er auf einmal schmecken konnte, was er vor einer halben Stunde gegessen oder getrunken hatte, und der Grund unter seinen Füßen weich wurde.
    Die Angst kam immer, wenn er sich in dem viel zu engen Wohnzimmer aufhielt. Sobald er sich durch den Flur auf die Terrasse schlängelte, ging es ihm besser. Hatte er es erst einmal nach draußen geschafft, konnte ihn niemand daran hindern, die Beine in die Hand zu nehmen und zu verschwinden. Die Gewissheit, dass der Fluchtweg offen lag, ließ ihn ruhiger atmen.
    Eine große Panikattacke blieb aus. Köninger hatte ihm prophezeit, dass alles gut gehen würde. Im Brustton der Überzeugung hatte er Andreas erklärt: »Wenn du dich wohlfühlst und durch die Menschen abgelenkt wirst, wird vermutlich gar nichts geschehen. Positiverlebnisse werden weit seltener durch Panikattacken gestört als Sachen, die man ungern macht.«
    Überrascht war Andreas trotzdem. Erklären konnte er es sich auch nicht. Er verstand seine Krankheit an dieser Stelle nicht, aber er wollte sich nicht beschweren. Vielleicht war er zu aufgeregt, vielleicht schützte ihn das Adrenalin, das durch seine Adern schoss. Vielleicht war er zu gerührt von Isa und Brain, die keinen Hehl daraus machten, dass sie sich über seine Anwesenheit freuten. Dasselbe galt für andere Freunde Saschas, deren Namen Andreas nichts sagten.
    Gegen ein Uhr nachts musste er feststellen, dass sogar Leute nett zu ihm waren, die Sascha gar nicht kannten. Bevor er sich versah, saß er auf der Terrasse und unterhielt sich mit einem namenlosen Typ in einem Star Wars -T-Shirt über den Niedergang der klassischen Science-Fiction.
    Mit der Zeit fügte Andreas sich in die Party ein. Wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum ließ er sich von der Lebenslust der Anwesenden in ihren Kreis ziehen. Alles war neu und großartig. Gut gelaunte Menschen um ihn herum, die mit Voranschreiten des Abends immer lockerer wurden und mit größter Selbstverständlichkeit neue Bande knüpften. Man trat auf ihn zu, bezog ihn ein.
    Und selbst wenn er nicht wusste, an wen er sich wenden sollte und Sascha aus den Augen verlor, langweilte er sich nicht. Die kleineren und größeren Dramen und Komödien am Rande unterhielten ihn hervorragend.
    Zum Beispiel wurde ihnen unfreiwillig ein kleines Theaterstück geboten, als ein Pärchen sich mitten im Garten anschrie und hinterher trennte. Das Mädchen verließ mit verweintem Make-up die Party und ihr Nun-Ex-Freund betrank sich. Nicht viel später fand man ihn knutschend mit einem Kumpel in der Ecke wieder.
    Dass Andreas irgendwann nicht mehr nachdachte, hatte nicht zuletzt mit

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