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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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hatten.
    Andreas mochten vereinzelte Fäden seiner Erinnerung fehlen, aber das Gesamtbild des Wandteppichs stand ihm deutlich vor Augen. Sascha hatte gelockt und er mitgemacht; freiwillig und ohne an den nächsten Morgen zu denken.
    »Keine Ahnung«, murmelte Andreas und beantwortete damit viel zu spät die Frage seines Therapeuten. Unfähig, auf seinem Platz sitzen zu bleiben, sprang er auf und begann, im Behandlungszimmer auf und ab zu schreiten.
    Köningers milde Augen folgten jedem seiner Schritte. »Wie fühlst du dich damit? Bist du wütend?«
    »Ja, natürlich bin ich wütend«, gab Andreas harsch zurück. »Ich meine, es war nicht nötig, oder? Wir wollten Freunde sein. Wir haben es so abgesprochen. Sex hilft nicht gerade dabei.«
    »Da hast du sicherlich recht.« Köninger machte eine Notiz auf seinem Block, bevor er sich bequem im Sessel zurücklehnte. »Du nimmst es Sascha also übel, dass er auf dich zugekommen ist.«
    Andreas war versucht, zuzustimmen, aber er konnte nicht. Stattdessen schüttelte er hektisch den Kopf. »Das habe ich nicht gesagt. Ich meine, es hat mich niemand gezwungen. Ich weiß das. Ich hätte mich an seiner Stelle vielleicht nicht anders verhalten.«
    »Du nimmst es dir selbst übel, dass du der Verlockung nachgegeben hast«, konstatierte der Therapeut.
    »Nein. Ja. Ach, ich weiß es nicht. Es ist … es war vorher schon nicht einfach, und jetzt ist es das erst recht nicht mehr. Wie soll ich das ausdrücken? Hinterher … keine Ahnung. Es ist jedenfalls schwieriger geworden. Und das kann ich nicht gebrauchen. Sagen wir, ich bin sauer auf das Schicksal.«
    »Das Schicksal?«, wiederholte Köninger ernsthaft. »Interessant.«
    Auf seinem Gesicht bildete sich ein Ausdruck, den Andreas nicht mochte. Der Therapeut wirkte so überlegen, so, als hätte er etwas begriffen, was er selbst nicht verstand.
    »Was ist interessant?«, blaffte er. »Können Sie sich nicht einmal richtig auskotzen, statt sich Notizen zu machen? Und mir sagen, was ich jetzt tun soll? Was würden Sie zum Beispiel an meiner Stelle machen?«
    »Das könnte ich natürlich, aber es stellt sich die Frage, ob dich das weiterbringen würde«, gab sein Gegenüber gleichmütig zurück. »Was nutzt es dir, wenn ich dir erzähle, wie ich mich in einer solchen Situation verhalten würde?«
    »Ich wüsste, wie sich ein gesunder Mensch verhält. Jemand, der keinen Dachschaden hat.«
    Köninger lachte auf. Sein Adamsapfel hüpfte vergnügt auf und ab. »Das ist sehr charmant, aber es würde dir nicht helfen. Es gibt kein Patentrezept in zwischenmenschlichen Angelegenheiten. Was für mich und eine potenzielle Partnerin richtig ist, kann für dich und Sascha vollkommen falsch sein. Zumal: Ich möchte, dass du deine eigenen Entscheidungen fällst. Ich helfe dir nicht, indem ich dir dein Leben vorkaue.«
    Andreas hasste es, wenn sein Therapeut mit ihm sprach, als wäre er im Kindesalter vor die Wand gelaufen und hätte sich nicht davon erholt. Besonders, weil sich Köningers Beweggründe im Nachhinein meistens als goldrichtig erwiesen.
    »Von mir aus«, schnarrte er. »Und was ist jetzt so interessant? Oder darf ich das auch nicht wissen?«
    Köninger nahm einen Schluck aus seiner Teetasse, bevor er ruhig antwortete: »Ich finde es bemerkenswert, dass du dir nicht erlaubst, wütend auf Sascha zu sein. Es wäre verständlich. Du warst damals sehr deutlich, als du die Grenzen eurer Freundschaft definiert hast. Er ist darüber hinweggegangen. Macht dich das nicht zornig?«
    »Was?« Aus unerfindlichen Gründen fühlte Andreas sich in die Ecke gedrängt. »Nein, warum auch? Er war auch betrunken, und ich habe freiwillig mitgemacht. Es wäre nicht fair, ihm das vorzuwerfen, oder?«
    »Rational betrachtet vielleicht nicht. Obwohl man vielleicht davon reden könnte, dass er die Situation ausgenutzt hat …«
    »Sehe ich aus wie eine fünfzehnjährige Jungfrau, die am nächsten Tag merkt, dass es vielleicht keine gute Idee war, sich vom Dorfhengst durchvögeln zu lassen?«
    Köningers Augen verengten sich ob der Wortwahl amüsiert. »Verstehe. Also ist es deine Männlichkeit, die dir im Weg steht. Du erlaubst dir nicht, wütend auf Sascha zu sein, weil du sonst wie ein kleines Mädchen dastehen könntest. Wie eine Frau, die hilflos war und verführt wurde.«
    Andreas blieb im wahrsten Sinne des Wortes der Mund offen stehen. In seinen Ohren rauschte es, und er bildete sich ein, dass seine Wangen rot wurden. Was war mit Köninger los? Diesen

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