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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Unsinn konnte er unmöglich ernst meinen, oder?
    Schließlich kam er zu der Erkenntnis, dass Angriff die beste Verteidigung war. »Was soll das? Wollen Sie mich provozieren?«
    »Nein. Fühlst du dich denn provoziert?«, gab Köninger so unschuldig zurück, dass Andreas ihm am liebsten vor das Schienbein getreten hätte.
    Kurz maßen sie sich mit Blicken. In Andreas tobte es. Er konnte nicht benennen, was er empfand, aber er fühlte sich ausgesprochen unwohl in seiner Haut. Getrieben, in die Falle gegangen, verarscht.
    »Es geht nicht darum, ob ich wütend bin oder nicht«, sagte er nach einer Weile bockig. »Es geht darum, wie ich mich verhalten soll. Das weiß ich nämlich immer noch nicht.«
    »Wenn du nicht weißt, ob du wütend bist oder nicht – und wenn ja, auf wen –, wird es schwer werden, eine richtige Entscheidung zu fällen.« Bevor Andreas aufbrausen – oder mit einer der Vasen auf dem Fensterbrett werfen konnte –, hob Köninger gelassen zwei Finger. »Aber gut. Überlegen wir einmal. Die Frage ist doch, was du möchtest. Auf jeden Fall wird es nicht schaden, das Gespräch mit Sascha zu suchen. Ich nehme nicht an, dass du zu dem Schluss gekommen bist, dass du Gefühle für ihn hast und gern mit ihm eine Beziehung wagen würdest?«
    »Nein!«
    »Gut, dann solltest du das auf die eine oder andere Weise kommunizieren. Oder möchtest du den Kontakt abbrechen?«
    »Weiß nicht. Ja. Nein. Vielleicht«, stotterte Andreas. »Fuck, nein. Will ich nicht. Aber mir ist das alles viel zu kompliziert.«
    »Was genau?«
    »Alles.«
    »So kompliziert ist das eigentlich nicht. Du hast selbst gesagt, dass du dir keine Beziehung vorstellen kannst. Also entscheidest du nur, ob du Sascha weiterhin einen Platz in deinem Leben überlässt oder nicht. Ja oder nein. Ganz einfach.«
    Ernüchtert ließ Andreas sich auf seinen Platz fallen. »Gar nicht einfach. Ich weiß selbst nicht, was mit mir los ist. Ich hasse die Unruhe, die er in mein Leben gebracht hat. Er wirft alles durcheinander. Und außerdem: Ich weiß ja gar nicht, was er will. Ob es für ihn jetzt gelaufen ist. Er ist immerhin gegangen, oder?«
    »Inwiefern gegangen?«
    »An dem Morgen. Ich habe gesagt, dass ich mich hinlege. Als ich aufgewacht bin, war er weg.« Andreas fand bei diesen Worten einen merkwürdigen Klumpen in seiner Kehle vor, der auf seine Stimmbänder drückte.
    »Hast du ihn denn gebeten zu bleiben?«
    »Nein.«
    »Wolltest du, dass er geht?«
    »Nein.«
    »Wolltest du, dass er bleibt?«
    »Nein!«
    »Aha.«
    »Nichts aha. Es war seine Entscheidung, okay?«, presste Andreas heraus. »Mir ging es viel zu dreckig, um ihm etwas vorzuschreiben. Vielleicht hätte ich etwas sagen sollen. Stattdessen habe ich so getan, als ob ich mich nicht erinnern könnte. Kann ich ja auch nur teilweise.«
    »Na, ich denke, es reicht, um die Ereignisse zu rekonstruieren«, warf der Therapeut ein.
    »Ja, gut. Klar. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe rasende Angst und weiß nicht, wovor. Und von mir aus bin ich auch irgendwie … stinkig. Nichts macht richtig Sinn. Ich bin nicht sauer, weil Sascha und ich rumgemacht haben. Glaube ich jedenfalls. Was mache ich denn jetzt?«
    Köninger betrachtete seinen aufgebrachten Patienten lange, bevor er behutsam sagte: »Nun, ich denke, es ist wichtig, dass du dich auf deine Erfolge konzentrierst.«
    »Nicht schon wieder die alte Leier …«
    »… und«, der Therapeut hob leicht den Zeigefinger, »dass du dir über deine Gefühle klar wirst. Ich sehe bei dir gerade vielfältige Emotionen, habe aber den Eindruck, dass du sie nicht den richtigen Schubladen zuordnen kannst.«
    »Das kann man wohl laut sagen.« Andreas beugte sich nach vorn und sah Köninger fest in die Augen. »Sagen Sie mir, was Sie denken, ja? Ich komme nicht weiter. Ich weiß, dass ich immer alles selbst herausfinden soll und dass Sie dann hinterher grinsen und ein ›Das-habe-ich-schon-seit-der-zweiten-Sitzung-gewusst‹-Gesicht machen. Aber ich bin echt ratlos. Und ich will … wenn es irgendwie geht, dann möchte ich Sascha nicht wegschicken müssen.«
    Köninger überlegte lange, sehr lange. Fast fürchtete Andreas, dass er vor dem Ende der Stunde keine Antwort mehr erhalten würde. Er versuchte sich vorzustellen, wie er mit Sascha über die Ereignisse des Wochenendes sprach. Angefangen mit dem Eingeständnis, dass er ihn hinsichtlich des Filmrisses angelogen hatte. Undenkbar. Dafür besaß er nicht das Rüstzeug; weder emotional noch rhetorisch.

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