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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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gewesen. Ob der Tag kam, an dem er aus dem Leim gehen würde? Rührei mit Speck im Bett. Nachts Salzstangenschlachten. Zusammen herausfinden, wie man Krebse knackte. Schmusen. In der Hängematte liegen und schweigen, während sie sich gegenseitig flüchtig berührten. Sich unsinnige Sachen aus der Vergangenheit erzählen. Musik hören. Wegfahren. Endlich einmal wegfahren. Urlaub. Eine märchenhafte Vorstellung.
    Frustriert klopfte Andreas seine Bettdecke zu einer Rolle und legte den Kopf darauf. Wenn er die Augen fest zusammenkniff, konnte er sich einbilden, dass es ein Körper war, der ihm Zuflucht bot. Er fragte sich, was peinlicher war: sich einzureden, dass die eigene Bettdecke ein Mensch war oder zu viel Angst zu haben, um sich auf jemandem einzulassen, der ihn drei Jahre lang nicht vergessen hatte.
    * * *
    Andreas kam sich unglaublich dumm vor, als er den Taxifahrer bezahlte und mit hochgezogenen Schultern und gesenktem Kopf über den Bürgersteig schlich. Gänsehaut stand ihm auf Armen und Beinen. Sein Magen befand sich im Streik. Ihm war übel genug, um guten Gewissens Reißaus nehmen zu können.
    Was hatte er sich nur gedacht? Weder hatte er die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass Sascha nicht zu Hause sein könnte, noch war er schlau genug gewesen, vorher anzurufen, ob er Besuch hatte. Dass er an der Villa seiner Eltern vorbei musste, dass die ganze Gegend vertraut riechen würde, hatte er gekonnt ignoriert. Andreas war nur bewusst geworden, dass das nächste Wochenende anstand und dass ihn der Gedanke an zweieinhalb lange, einsame Tage ohne Sascha verrückt machte.
    Im einen Augenblick stand er unter der Dusche und wusch sich den Tag vom Leib, im nächsten hatte er hysterisch Kleidung aus dem Trockner gerissen, um etwas Sauberes zum Anziehen zu finden. Aus seinen Haaren tropfte noch das Wasser, als er am Telefon war und sich ein Taxi rief, weil sich sofort etwas tun musste. Weil er einen Rückzieher machen würde, wenn er nicht hier, heute und jetzt mit Sascha redete.
    Dabei wusste Andreas gar nicht, was er sagen wollte. Nur, dass er ihn sehen musste.
    Von seiner eigenen Kurzschlussreaktion übertölpelt, griff er sich an die Kehle. Er hatte den Fahrer gebeten, ihn von der anderen Seite an das Haus der Holmes heranzufahren. Die Villa, in der er groß geworden war, ließ sich dennoch nicht übersehen. Ihr Anblick schnürte ihm die Luft ab. Die weiße Fassade, drohte auf ihn einzustürzen.
    Es schien ewig her, dass er diesen Ort verlassen hatte. Von Anfang an war ihm klar gewesen, dass er nicht wiederkommen würde. Vielleicht hatte er sich etwas anderes eingeredet, aber da war kein Weg zurück gewesen. Heute machte ihm der Gedanke an die vertrauten Räume, die hohen Decken und das Flüstern im Gebälk Angst. Nie wieder wollte er so in der Falle sitzen.
    Ihm war nach Zittern und Schreien zumute. Unerwartet drohte sich Zorn in ihm auszubreiten. Die Vorstellung, selbstherrlich das Grundstück seiner Eltern zu betreten und nur, weil er es früher nicht gekonnt hatte, ein paar Büsche im Vorgarten niederzutrampeln, war zuckersüß. Rache nehmen, zeigen, dass er überlebt hatte und frei genug war, um wie Rumpelstilzchen durch die Rosenbeete zu toben.
    An der Einfahrt zum Grundstück von Saschas Tante blieb er stehen. Er hätte anrufen sollen. Vor allen Dingen hätte er sich vorher überlegen müssen, was er Sascha sagen wollte. Andreas wünschte, er wüsste es.
    »Mir ist langweilig ohne dich«, hörte sich nicht nach der richtigen Variante an. »Ich bin es leid, mir selbst einen runterzuholen, weil du nicht da bist«, auch nicht, obwohl Sascha darauf wahrscheinlich nicht negativ reagieren würde.
    Ein Fahrzeug näherte sich vom anderen Ende der Straße, und Andreas machte einen hektischen Satz nach vorn. Es fehlte ihm gerade noch, dass just in diesem Moment Vater oder Mutter nach Hause kam und feststellte, dass er vor dem Nachbarhaus herumlungerte.
    Nein. Für einen Besuch bei seinen Eltern war er nicht bereit.
    Verflixt, er war nicht einmal bereit, Sascha gegenüberzutreten. Und das war leichter, als sich seinem alten Gefängnis zu stellen.
    Andreas leckte sich über die Lippen. Sie waren rau und trocken. Die Feuchtigkeit seiner Haare im Nacken war ihm unangenehm bewusst. Wie sah er aus? Hatte er sich am Morgen überhaupt rasiert? Die Zähne geputzt? Die Haare nach dem Duschen durchgekämmt? Bestimmt hatte er etwas vergessen.
    »He, wäre doch ein guter Grund, sich aus dem Staub zu machen«, murmelte er

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