Nach der Hölle links (German Edition)
sich vollständig gefühlt, wenn er Freitagsabends auf Andreas’ Bett lümmelte und wusste, dass sie am Wochenende viel Zeit füreinander haben würden.
Manchmal, wenn es ganz still in der Villa war, sie verklebt unter der Bettdecke übereinander lagen und Sascha nie wieder aufstehen wollte, hatte er geglaubt, den tieferen Sinn von Begriffen wie »Perfektion« oder »Glück« verstanden zu haben. Gegen Ende ihrer kurzen Beziehung war die Erkenntnis oft von nervösen Schüben vertrieben worden.
Inzwischen verstand er, dass es ihm eine fürchterliche Angst gemacht hatte, sich dermaßen heftig verliebt zu haben. Oder eher, sich dermaßen heftig in einen Menschen wie Andreas verliebt zu haben. Er hatte es nur nicht wahrhaben wollen.
Einen Berg trübsinniger Überlegungen später klopfte es an seine Tür. Sascha sah auf. Es war spät. In einem anderen Haus hätten sich die Bewohner längst über den Krach beschwert.
Er antwortete nicht, aber nach einer Weile kam Svenja ungefragt zu ihm herein. Sie musterte ihn prüfend. »Da bist du ja. Wir hatten uns schon gefragt, wo du abgeblieben bist. Das war ein ganz schön merkwürdiger Auftritt.«
Dem musste Sascha zustimmen. Seine Freunde hatten bestimmt wild spekuliert, was ihn dazu brachte, sich so eigenartig aufzuführen.
»Wer war der Typ?«
Schweigen.
Svenja verdrehte die Augen und setzte sich neben Sascha aufs Bett. »Du weißt, dass es besser ist, über Probleme zu sprechen, statt sie in sich hineinzufressen.«
Zum Teufel, was hatte sich die Evolution eigentlich dabei gedacht, dass Frauen immer über alles reden wollten? Sascha wollte seine Gedanken nicht vor Svenja ausbreiten. Er konnte nicht in Worte fassen, was er nicht einmal in seinem eigenen Kopf sortiert bekam. Er stand unter Schock. Andreas war am Leben und hatte nichts vergessen, war stocksauer auf ihn. Was gab es dazu schon groß zu sagen? Es war eh nicht mehr von Belang. Sascha wusste nun, dass Andreas nicht den finalen Ausweg gesucht hatte und damit … ja, damit war es eigentlich gut, oder? Jeder konnte mit seinem Leben weitermachen.
Der Gedanke tat weh. Richtig weh.
»Ich würde ja vermuten, dass es dein Ex war«, stocherte Svenja weiter. Sascha war versucht, ihr den Tennisball in den Mund zu stopfen.
»Wie kommst du darauf?«, brummte er abwehrend.
»Weil du weiß wie ein Laken warst, ich bis heute nicht wusste, dass du so runde Augen machen kannst und vor allen Dingen, weil du meines Wissens nach vor Nils nur einen festen Freund hattest. Und den in einer Kneipe zu sehen, dürfte dich ziemlich vom Sockel gehauen haben.«
»Hundert Punkte, Sherlock«, gab Sascha nach. Es war sinnlos, etwas abzustreiten, wenn Svenja ihren spitzfindigen Tag hatte. Außerdem war es besser, von vornherein die Wahrheit zu sagen. Wenn hinterher durch einen Zufall aufflog, dass er gelogen hatte, konnte das zu Schwierigkeiten führen. Besonders, wenn man in Betracht zog, dass Svenja Nils’ beste Freundin war.
Stöhnend ließ Sascha sich auf die Seite fallen, als er daran dachte, was Nils sagen würde, wenn er von Andreas erfuhr. Halleluja, als hätte er sonst keine Sorgen. Warum nur hatte er seinen Freunden damals auf dieser verregneten Party betrunken von seiner traurigen, ersten Liebe erzählt? Wie viel leichter wäre alles, wenn sie nicht wüssten, was es mit Andreas auf sich hatte?
»Und jetzt?«, fragte Svenja noch behutsamer als zuvor. Ein schwer zu deutender Ausdruck lag auf ihrem runden Gesicht. Mitgefühl? Sorge? Skepsis?
»Nichts jetzt«, murmelte Sascha. »Ich habe ihn wiedergesehen. Ich weiß, dass es ihm besser geht als damals, und das war es.«
»Das war es?«, wiederholte seine Mitbewohnerin zweifelnd. »Du bist ihm doch nachgelaufen. Wirst du dich mit ihm treffen? Ich meine, vielleicht wäre es ganz gut, wenn ihr über das eine oder andere reden würdet. Hast du seine Telefonnummer? Oder seine Adresse?«
»Nein, habe ich nicht. Er war nicht gerade erfreut, mir über den Weg zu laufen. Lass es gut sein.«
Warum Sascha unter den Tisch fallen ließ, dass er gesehen hatte, in welchem Haus Andreas verschwunden war, wusste er nicht. Vielleicht, weil er diese Information zu gern selbst vergessen hätte.
Minutenlang schwiegen sie sich an. Sascha begann wieder den Tennisball an die Wand zu werfen, und Svenja spielte mit ihren Fingernägeln, bevor sie vorsichtig fragte: »Dann ist es also vorbei?«
Missmutig fragte er sich, ob sie ihn löcherte, weil sie sich Gedanken um ihn machte oder weil sie Sorge
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