Nach der Hölle links (German Edition)
hatte, dass Nils unter die Räder kommen könnte. Sascha zuckte die Achseln. »Natürlich ist es vorbei. Es ist seit drei Jahren vorbei.«
Für einen Moment sah es so aus, als würde Svenja sich nicht mit dieser Antwort abspeisen lassen. Doch dann lächelte sie schief und erhob sich. »Naja, wenn du meinst. Aber vielleicht solltest du trotzdem nächste Woche mal mit deinem Prof über die Sache sprechen. Ist ja nicht ganz einfach, wenn man denkt, dass jemand tot oder verschollen ist und der auf einmal vor einem steht.«
»Mein Professor ist doch nicht mein Therapeut«, maulte Sascha eine Spur ungehalten. »Und ich brauche auch keinen. Echt, es geht mir gut.«
»Ja, das sehe ich.« Der ironische Tonfall war nicht zu überhören.
Er war froh, als Svenja ging. Er mochte die Gedanken nicht, die sie in seinen Kopf gesät hatte. Mit Andreas reden. Ja, natürlich. Das wäre richtig für Sascha. Doch er bezweifelte, dass es auch für Andreas das Richtige war. Selbst wenn, dann stellte sich noch die Frage, ob er dazu bereit war.
Außerdem mochte Sascha den Nachgeschmack nicht, der allen Bemühungen in Sachen Andreas anhaftete. Was war denn groß passiert? Er war seinem ehemaligen Freund begegnet. Punkt. Er hatte feststellen dürfen, dass es Andreas weit besser ging als früher. Punkt. Das war ein Grund, sich aufrichtig für ihn zu freuen. Noch einmal Punkt.
Darüber hinaus gab es keinerlei Veranlassung, Kontakt zu Andreas zu suchen. Ihre Leben gehörten nicht mehr zusammen. Sie gehörten nicht mehr zusammen.
Er hatte einen Freund. Er. Hatte. Einen. Freund. Es erschien Sascha äußerst wichtig, diesen Gedanken laut in seinem Kopf zu wiederholen.
Wo er gerade bei dem Thema war: Sascha wurde jäh bewusst, dass er sich einsam fühlte. Was war nur mit ihm los? Er sollte sich auf Nils konzentrieren. Stattdessen gammelte er auf dem Bett herum, träumte von früher und ignorierte die Tatsache, dass nebenan sein Freund darauf hoffte, ihn zu sehen.
Du bist ein Idiot, Sascha Suhrkamp, sagte er sich im Stillen. Erst verlässt du Andreas, als er dich braucht. Und nun zerbrichst du dir wieder den Kopf über ihn und vernachlässigst deinen neuen Freund, der dich ebenso braucht. Ganz toll.
Das Schlimme war, dass Sascha ab und zu eben auch etwas brauchte. Dinge, die er nicht gerne beim Namen nannte. Dinge, die Nils zu geben bereit war, aber die nicht die Wirkung entfalteten, die Sascha sich erhoffte. Eine Umarmung war eine Umarmung – und doch nicht dasselbe.
Trotzdem. Wenn man kein Steak kriegen konnte, nahm man lieber Tofu, bevor man hungerte. Und vielleicht stellte man eines Tages fest, dass man als Vegetarier viel glücklicher war.
Nils, ein wenig zerbrechlich, süß, intelligent, anschmiegsam und zärtlich. Er wartete auf ihn. Es war an der Zeit, ihn zu erlösen und ihm zu geben, wonach er sich sehnte. Und sich selbst auch.
Ein letztes Mal drängte Sascha die Gedanken an Andreas beiseite, bevor er über den Flur zu Nils’ Zimmer schlich. Er klopfte nicht an, sondern betrat ganz vorsichtig den einzig vom Monitor beleuchteten Raum. Nils saß am Schreibtisch und wandte ihm den Rücken zu. Auf dem Boden lagen mehrere aufgeschlagene Fachbücher, die Sascha umrunden musste. Die Musik verschluckte seine Schritte, als er sich von hinten an Nils heranstahl und ihn umarmte.
Im ersten Augenblick zuckte sein Freund zusammen, doch dann entspannte er sich merklich und sah auf. »Na, alles klar?«, fragte er mit einem kleinen Lächeln, das Saschas Mundwinkel dazu brachte, ungefragt in die Höhe zu schnellen.
»Kommt darauf an.«
»Worauf denn?«
»Darauf, ob hier heute Nacht Platz für mich ist«, murmelte Sascha und beugte sich nach unten, um den Kopf an Nils’ Wange zu drücken. In der Spiegelung der Fensterscheibe sah er, dass sein Freund zu strahlen begann. Augenblicklich wurde Sascha warm zumute. Willig folgte er Nils, als dieser ihn umarmte und mit langsamen Schritten zum Bett zog.
In dieser Nacht blieb Sascha ganz und gar freiwillig im Zimmer seines Freundes. Sie schliefen nicht miteinander, aber sie lagen Bauch an Bauch und hielten sich im Arm. Küssten und berührten sich, rieben ihre Nasen aneinander. Nils freute sich, als Sascha seufzend den Kopf auf seine Brust legte und sich an ihn drängte. Er war froh, dass Nils abends geduscht hatte und nicht mehr nach Haargel roch.
Überraschend schnell taumelte Sascha dem Schlaf entgegen, fremdes Bett hin oder her. Mit einer streichelnden Hand im Nacken war es leicht, sich fallen
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