Nach der Hölle links (German Edition)
heiß. Zu viele Bilder drängten sich in seinem Verstand. Schöne und hässliche Erinnerungen, das Echo verlorener Gefühle, die Kriegstrommeln des Zorns, der an ihre Stelle gerückt war.
Warum hatte er Sascha nicht einfach eins auf die Nase gegeben, als er ihn ansprach? Warum hatte er nicht gebrüllt: »Hast du eigentlich den Schuss nicht gehört? Wie kannst du es wagen, nach drei Jahren aufzutauchen und …«
Ja, und dann? Andreas daran zu erinnern, was einmal gewesen war und was er sich mit einem anderen Mann wünschte, aber nicht bekommen konnte? Weil er es nicht schaffte, seinen Hintern in die entsprechenden Clubs zu bewegen? Oder Bars? Oder Sporthallen? Sollten sie so tun, als wären sie nie zusammen gewesen? Als hätte Sascha nie versprochen, ihm zu helfen und zur Seite zu stehen? Hätte Andreas ihm mitten in der Kneipe sagen sollen, wie enttäuscht er gewesen war, dass Sascha ihm nicht einmal als Kumpel geblieben war, wenn schon nicht als fester Freund? Wie weh es getan hatte, dass er nie wieder von sich hören ließ oder nachfragte, wie es ihm ging?
Selbst wenn Andreas dazu in der Lage gewesen wäre – und das war schwierig, wenn einem vor Schreck die Zunge am Gaumen klebte –, was hätte es gebracht? Nur, dass Sascha in dem Glauben gegangen wäre, Andreas hätte ihn nicht vergessen. Diesen Triumph gönnte er seinem Ex nicht.
Stundenlang dämmerte Andreas im Halbschlaf vor sich hin. Mittlerweile klebte er am ganzen Leib. Das Schlafzimmer roch nach Fieber.
Die Visionen vergangener Tage fielen über ihn her. Zwischendurch glaubte er, die alte Leidenschaft zu empfinden, die ihn früher gepackt hatte, wenn er mit Sascha zusammen war. Dann wieder verspürte er nichts als bodenlosen Hass und das Bedürfnis nach Rache. Dazwischen lauerte die Erinnerung an Stunden, in denen er nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand. Danach stürzte er in die Zeit, in der er aufhörte, jede Nacht an Sascha zu denken und ihn zu vermissen. Die Zeit, in der die Leere in ihm entstand. Damals hatte er sich auf eine schwer in Worte zu fassende Weise noch einsamer gefühlt, weil selbst seine heimlichen Träume ihn verließen.
Ab und zu, ganz selten nur, blitzte ihm Saschas Anblick durch den Kopf. Nicht der Sascha, den er früher gekannt hatte, sondern der, der ihm am Abend begegnet war. War er noch gewachsen? Auf jeden Fall hatte sein T-Shirt am Oberarm und um die Schultern auf eine für Andreas neue Weise gespannt. Bastard.
Gegen Morgengrauen war er zu erschöpft, um dem Karussell in seinem Verstand länger zu folgen. Er schlief ein, nur um kurz darauf vom Wecker hochgescheucht zu werden. Am liebsten hätte Andreas sich nicht bewegt. Aber seine Blase war voll, der Kopf raste, das Fieber ließ ihn schwindeln und Durst hatte er außerdem.
Mühsam quälte Andreas sich aus dem Bett. In diesen Augenblicken tat es ihm unglaublich weh, niemandem zu haben, der ihm eine Flasche Wasser brachte oder Paracetamol aus dem Schrank holte.
Er putzte sich die Zähne und sammelte ein, was er für einen Vormittag im Bett brauchte. Tabletten, frische Shorts, einen nassen Waschlappen für die Stirn, Wasser und Saft. Seine Wohnung erschien ihm an diesem Morgen viel zu groß, der Flur zu lang. Bevor Andreas sich wieder hinlegte, rief er im Tierheim an, um sich krankzumelden. Er war wütend, als er auflegte. Da ging sie hin, die gute Woche.
Als er mittags mit deutlich klarerem Kopf wieder erwachte, zögerte er einen Augenblick. Zu gern hätte er sich auf die andere Seite gelegt und weitergeschlafen. Nicht denken, nicht fühlen müssen. Dann rief er sich ins Gedächtnis, wie wichtig es war, dass er gut auf sich achtete. Seinen Körper hatte er versorgt. Nun war es an der Zeit, seine aufgeriebene Seele zu verarzten.
Köninger anzurufen, fiel ihm schwer. Noch schwerer war es zu sagen: »Es geht mir nicht gut. Ich bin ihm begegnet.«
Dass der Therapeut nicht einmal fragte, wer er sei, sprach für sich.
Kapitel 7
In Saschas Träumen war ihre Begegnung stets anders verlaufen. Vor allen Dingen seine eigene Rolle war souveräner gewesen, liebevoller, nicht so unbeholfen und schlicht saublöd. Was hatte er erwartet? Dass sie sich gegenüberstanden, in die Augen sahen und in die Arme fielen? Ja, verdammt, das hatte er. Nicht sofort, aber nachdem er Andreas erklärt hatte, was damals geschehen war. Nachdem er ihm gesagt hatte, dass er ein Vollidiot gewesen war und sich entschuldigt hatte.
Naiv? Ja. Aber träumen durfte man doch, oder?
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