Nach der Hölle links (German Edition)
zu lassen und anzunehmen, was ihm geboten wurde. Die Berührung auf seiner Haut verhinderte, dass seine Gedanken abschweiften und in Bahnen glitten, in die sie nicht gehörten, während man mit seinem Freund im Bett lag. Allerdings konnte Sascha nicht verhindern, dass er im Morgengrauen verwirrt das Kopfkissen betrachtete und sich fragte, seit wann Andreas seine Haare blondierte.
Kapitel 8
»Was denkst du, warum du so heftig auf die Begegnung reagiert hast?«
Fragen dieser Art hatte Andreas zu hassen gelernt. Jedes Mal, wenn Köninger ihn prüfend ins Auge fasste und dabei so verdammt unschuldig dreinsah, war ihm danach, wie ein verstocktes Kind schweigend die Arme zu verschränken – was er im Übrigen in der Vergangenheit auch schon getan hatte. Die Versuchung war groß, etwas Pampiges zu erwidern. »Ist mir doch egal« oder alternativ »Was geht Sie das an?«
Der Widerwillen saß in Andreas’ Kehle wie ein verschluckter Legostein. Er kratzte an den Innenwänden der Speiseröhre und weckte den Wunsch, sich zu übergeben. Erfahrungsgemäß brachte ihn weder das eine noch das andere weiter.
Bockig verzog er das Gesicht und fixierte Köninger. »Liegt das nicht auf der Hand? Ich meine, da trampelt dieser Vollidiot nach drei Jahren und drei Monaten in mein Leben, faselt irgendwelchen Schwachsinn, rückt mir auf die Pelle und behauptet, sich immer gefragt zu haben«, Andreas verstellte die Stimme zu einem mädchenhaften Piepsen, »was aus mir geworden ist.« Er schnaubte und kehrte in seine normale Tonlage zurück. »Warum konnte er nicht einfach wegbleiben? Denn was ist jetzt das Ergebnis? Dass meine perfekte Woche im Eimer ist. Herzlichen Dank auch. Arschloch.«
Köninger notierte etwas auf seinem ominösen Notizblock, der in den vergangenen zwei Jahren mehr als einmal Gefahr gelaufen war, von Andreas in der Luft zerfetzt zu werden.
»Du glaubst ihm nicht, dass er sich Gedanken gemacht hat.«
»Nein, natürlich nicht. Würden Sie ihm glauben? Er ist von einem auf den anderen Tag verschwunden. Er wusste genau, wie dreckig es mir ging. Er hatte nicht einmal genug Anstand, um zu warten, bis … keine Ahnung.« Andreas warf die Hände in die Luft.
»Bis sich die häusliche Situation bei euch beruhigt hatte?«, vermutete Köninger. »Das hätte für ihn bedeutet, dir etwas vormachen zu müssen. Wäre das besser gewesen?«
»Nein!«, brauste Andreas auf. »Am besten wäre er vom ersten Tag an mit seinem Hintern nebenan geblieben. So …« Er unterbrach sich und sah aus dem Fenster. Auch nach all der Zeit hatte er sich nicht daran gewöhnt, vor Köninger die Beherrschung zu verlieren. Wütend zu werden, war in Ordnung. Aber die Traurigkeit, die unter dem Zorn saß, gehörte ihm allein. Dass er sich nachts manchmal in den Schlaf weinte, weil er sich einsam fühlte, musste auch niemand wissen.
»Was hat mir das Ganze denn schon gebracht? Nichts. Gar nichts«, fügte er dumpf hinzu. Es tat weh, sich bewusst zu machen, wie viel Schmerz seiner ersten Liebe entsprungen war.
»Nur die Erkenntnis, dass dich die wenigen Menschen, mit denen du dich in deinem Leben umgeben hast, im Stich gelassen haben«, brachte der Therapeut es auf den Punkt. Ob er Mitleid empfand oder nicht, war seiner freundlich-professionellen Miene nicht zu entnehmen.
»Ja.«
»Dass sie dich allein gelassen haben, als du sie brauchtest. Deine Eltern waren von Anfang an nicht für dich da. Dein Großvater hat nie die Position bezogen, die du dir gewünscht hättest. Sascha war der erste Mensch, der sich dir nähern durfte, und am Ende hat er alles bestätigt, was du von klein auf befürchtet hast: dass niemand bei dir bleibt.«
»Ja.«
Verstohlen wischte Andreas sich über die Augen. Ihm war, als käme das Fieber zurück. Vielleicht war es keine gute Idee gewesen, sich auf den Notfalltermin einzulassen. Er hätte warten sollen, bis das Wochenende seine Wirkung tat und er sich beruhigt hatte. Ihm war immer noch schwach zumute, und die harte Nacht saß bleiern in seinen Knochen. Und er wollte nicht über Sascha reden. Zumindest nicht auf eine vernünftige Weise, die andere Gedanken als rasende Wut nach sich zog.
»Dann ist der Grund, warum dich eure Begegnung aus der Bahn geworfen hat, nicht, dass ihr euch begegnet seid. Der Grund ist das, was damals geschehen ist, und was du Sascha bis heute übel nimmst«, stellte Köninger überflüssigerweise fest.
Andreas knurrte. Natürlich ging es um damals. Ungehalten schnappte er: »Darf ich das denn
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