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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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nicht? Er hat mich hängen lassen. Erst hat er sich über die Ferien bei mir verkrochen und sich trösten lassen, und dann hat er sich aus dem Staub gemacht. Meine Mutter war dabei, den Verstand zu verlieren, mein Vater stand dumm daneben und mein Freund fand, dies wäre der ideale Zeitpunkt, um mich loszuwerden. Was sollte ich denn machen? Auf ihn zugehen und sagen: ›Hey, alles klar, Mann. Nett dich zu sehen?‹«
    Köninger zog die Augenbraue auf eine Weise hoch, die klar machte, dass sein Patient ihm in die rhetorische Falle getappt war. »Ich habe nie gesagt, dass du dich anders verhalten solltest. Ich habe auch nicht gesagt, dass ich der Meinung bin, du solltest nicht aufgebracht sein. Kann es sein, dass du dir selbst wünschst, dich anders verhalten zu haben? Dass dich das so zornig macht?«
    »Nein«, giftete Andreas zurück; ärgerlich, weil er es hasste, ausgetrickst und dazu gebracht zu werden, Dinge zuzugeben, die er nicht wahrhaben wollte. Die Abwehr machte ihn unehrlich.
    Tatsächlich wünschte er, sich anders verhalten zu haben. Aber das, was er im Hinterkopf hatte, war kindisch. Er wollte nicht darüber nachdenken – und schon gar nicht zugeben –, dass es einen Teil in ihm gab, der Sascha gern das Bier über den Kopf gekippt hätte. Oder noch besser, der ihm gern die Faust auf die ekelhaft vertraute Nase gerammt hätte.
    Fragend nickte Köninger in Richtung der leeren Wassergläser auf dem Tisch, doch sein Patient schüttelte den Kopf. Anschließend legte der Therapeut den Block beiseite und rutschte an den Rand seines Sessels.
    Eindringlich musterte er Andreas. »Ich habe dir schon öfter gesagt, dass es notwendig ist, an diesem Kapitel deiner Vergangenheit zu arbeiten. Es wäre gut für dich. Du musstest sehr jung die Erfahrung machen, dass du dich nicht auf deine Familie verlassen kannst. Das hast du als Kind natürlich auf den Rest der Menschheit übertragen. Für Sascha bist du über deine schlechten Erfahrungen hinweggegangen und enttäuscht worden. Seitdem gibt es niemandem mehr, dem du dich öffnest und …«
    »Mandy! Mandy lasse ich an mich heran«, zischte Andreas.
    »… dem du erlaubt hast, dir nah zu kommen«, beendete Köninger ungerührt seinen Satz. »Mandy ist eine Freundin für dich. Du hast sie recht gern, aber wir wissen beide, dass sie dir nicht so nah steht wie Sascha früher. Sie ist eine Arbeitskollegin, Sascha hast du geliebt. Vermutlich viel zu sehr. Aktuell hast du solche Angst, wieder verletzt zu werden, dass du nichts und niemanden in deiner Nähe duldest.«
    »Wen denn auch? Es ist ja niemand da!«
    »Du unternimmst auch nichts, um etwas daran zu ändern. Darüber sollten wir uns unterhalten. Und darüber, ob du schon einmal die Möglichkeit in Betracht gezogen hast, dich mit deinem Ex-Freund auszusprechen. Was immer vorgefallen ist, er ist gestern Abend auf dich zugekommen. Objektiv betrachtet hat er signalisiert, dass er Kontakt wünscht.«
    Entsetzt riss Andreas die Augen auf. »Was soll das denn bitte bringen? Selbst wenn ich wüsste, wo ich ihn finden soll!«
    Mit dieser faulen Ausrede ließ Köninger ihn – natürlich – nicht entkommen. Er lachte gutmütig. »Nun komm, Andreas, über dieses Stadium sind wir hinweg, oder? Wir wissen beide, dass du Sascha erreichen kannst, wenn du willst. Hast du nicht erzählt, seine Tante würde neben deinen Eltern wohnen? Selbst wenn er dort nicht mehr lebt, wird sie schon wissen, wo ihr Neffe zu finden ist. Wir wollen uns nichts vormachen. Die Möglichkeit, Sascha zu erreichen, existiert. Bitte keine Augenwischerei.«
    »Und was dann? Soll ich ihn fragen, wie es ihm geht?«
    Gelassen nickte der Therapeut. »Zum Beispiel. Und du könntest ihm sagen, wie schlimm es für dich war, von ihm verlassen zu werden. Du könntest die Möglichkeit nutzen und ihm wenigstens einmal die Meinung sagen, damit du nicht mehr blockiert wirst. Vielleicht kannst du bei der Gelegenheit sogar herausfinden, warum er gegangen ist.«
    Den letzten Hinweis überhörte Andreas geflissentlich. Die Gründe für Saschas Fortgang waren irrelevant. Am Ende zählte nur das Ergebnis. Und das Ergebnis hatte ihn in die Psychiatrie gebracht, weil er zwischenzeitlich fürchtete, vor Verzweiflung wahnsinnig zu werden.
    Heiser lachte er auf, ein ganz und gar grausiges Geräusch. »Genau. Ich gehe zu jemandem hin, der mich schon einmal fertiggemacht hat, und gestehe ihm, dass ich wegen ihm bis heute Single bin und es vorziehe, allein zu sein, bevor ich noch mal auf

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