Nach der Hölle links (German Edition)
Köninger verflucht und sich geschworen, nie wieder einen Fuß in dessen Sprechzimmer zu setzen. Den Sonntag über hatte er auf der Terrasse gelegen und vor Wut über den Verlust der perfekten Woche geheult. Und am Montag – heute – war er aufgestanden und ins Tierheim gefahren.
Ursprünglich war er fest davon ausgegangen, dass die Ereignisse der vergangenen Woche ihm das Leben schwer machen würden. Aber er war hier. Irgendwann zwischen dem Reinigen der Katzentoiletten und der Jagd nach einem entflohenen Hamster hatte er aufgehört, heimlich auf eine Panikattacke zu warten.
Der alte Andreas, der noch in ihm lebte, wollte sich zu Hause einrollen. Sein neues Selbst hatte gelernt, dass es ihm dadurch nicht zwingend besser ging. Schon gar nicht, wenn man bedachte, wie sehr Triton es liebte, seine Frühstückspause mit ihm im Freien zu verbringen.
Hätte Andreas früher jemand gesagt, dass eine Zeit käme, in der ihm das Schwanzwedeln eines Hundes oder das Schnurren einer Katze etwas geben würde, hätte er demjenigen einen Vogel gezeigt. Aber es stimmte. Wenn er am Morgen als Erstes zu Triton ging, fühlte er sich schlagartig besser. Der Hund freute sich auf eine ehrliche, selbstlose und überwältigende Weise, obwohl er die meisten Tierpfleger ablehnte. Nur wenn Andreas zu seiner Box kam, sprang er auf und sagte mit dem ganzen Körper: »Da bist du ja! Du gehörst zu meinem Rudel. Ich will dich bei mir haben.«
Vielleicht war es erbärmlich, sich über die Liebe eines Hundes zu freuen. Andreas scherte sich nicht darum, denn Tritons Zuneigung war bedingungslos.
»Das ist mehr als man von gewissen anderen Leuten behaupten kann, nicht wahr?«, murmelte Andreas. Gedankenverloren kämmte er mit den Fingern durch das dichte Fell und löste die Knoten darin.
Sascha spukte ihm im Kopf herum. Er und die Frage, ob es wirklich von Bedeutung war, noch einmal miteinander zu sprechen. Andreas wusste inzwischen, dass er Köningers Einschätzungen und Ratschlägen trauen konnte. Er wollte nicht mit Sascha reden. Doch der Gedanke, dass sein erster Freund ein Hemmschuh für alle weiteren Beziehungen sein könnte, stieß ihm sauer auf. Er machte ihn sogar wütend.
»Konnte er nicht einfach wegbleiben? Was wollte er damals von mir? Er hat mich gebraucht, oder? Weil es ihm selbst dreckig ging und er niemanden kannte. Hat er anfangs ja sogar gesagt«, fuhr Andreas fort. Er sprach leise in sich hinein, aber er sah, wie Tritons Ohren zuckten. Manchmal tat Reden eben doch ganz gut, und solange der Hund reagierte, konnte nicht einmal von einem Selbstgespräch die Rede sein. »Ja, meine Güte. Ich ihn doch auch. Aber warum musste er mich Donnerstag anquatschen? Es ist ewig vorbei. Wieso rennt er mir nach? Überhaupt, was sollte das heißen? Er hat behauptet, dass er immer wissen wollte, was aus mir geworden ist. Von wegen. Wenn das so war, hätte er ja nur den Mund aufmachen müssen, oder Triton?« Der Hund streckte sich, als er seinen Namen vernahm, und gähnte lautstark. »Genau, sehe ich auch so.«
Andreas würde nichts unternehmen. Vielleicht änderte er seine Meinung, wenn er Sascha zufällig noch einmal begegnete. Dann konnte er ihm sagen, für was für einen Dreckskerl er ihn hielt. Bis dahin würde er das tun, was er schon am Wochenende getan hatte: sich jemanden ausmalen, der mit ihm zusammen sein wollte. Jemanden, der seine Macken ertrug und ihm das Gefühl gab, nicht allein zu sein. Jemanden, der ihn genauso brauchte wie Andreas ihn. Er wollte nicht die wandelnde Schwachstelle seiner zukünftigen Beziehung sein. Er brauchte keinen Mann, der auf rohen Eiern um ihn herumschlich. Wonach er sich sehnte, war jemand, zu dem er nachts ins Bett kriechen konnte, wenn es ihm dreckig ging, und der ihm erlaubte, das Gesicht zwischen seinen Schulterblättern zu verbergen.
Eine Weile hing Andreas noch seinen Gedanken nach, bevor er sich aufraffte und Triton zu sich rief, der in den letzten Minuten mit der Nase am Boden die Wiese erkundet hatte. Folgsam kam der Kuvasz zu ihm. Eigentlich war es nicht im Sinne des Tierheims, dass Andreas Triton frei laufen ließ. Aber die Vergangenheit hatte erwiesen, dass der Hund Andreas überall hin folgte, selbst zum Tierarzt. Deswegen hatte er den Segen des Leiters, Triton frei über die Grünflächen tollen zu lassen.
Andreas hatte gerade die Leine eingehakt, als sein Handy in der Hose zu vibrieren begann. Missmutig verzog er das Gesicht. Naturgemäß besaßen nicht viele Leute diese Nummer.
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