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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Kandidaten.« Ordentlich verstaute er einige Unterlagen in seiner ledernen Schultasche und schaltete den Projektor aus. Anschließend warf er dem Studenten einen schnellen Blick zu. »Was gibt es? Kann ich irgendetwas für dich tun?«
    Unsicher fuhr Sascha sich über das schlecht rasierte Kinn. »Ich weiß nicht. Kommt drauf an. Hast du ein paar Minuten Zeit?«
    Der Professor sah auf die Armbanduhr, dann nickte er: »Ja, das sollte kein Problem sein. Allerdings wäre es mir lieb, wenn du mit mir kommst. Ich muss noch etwas in der Bibliothek abholen. Unterwegs können wir uns unterhalten.«
    Dieser Vorschlag kam Sascha sehr entgegen. Im Gehen redete es sich leichter. Ungeduldig wartete er, bis Christopher sich die Tasche unter den Arm klemmte und ihm zunickte. Gemeinsam stiegen sie die Treppen hoch und traten in den von mannshohen Fensterfronten gesäumten Flur. Das Gewirr der Studenten im Hof zwei Etagen tiefer erinnerte an einen Ameisenhügel – alle Tierchen waren auf dem Weg zur Futterquelle, der Kantine, auf der anderen Seite des Platzes.
    »Also? Wo drückt der Schuh?«, fragte Christopher freundlich. Deutsche Redewendungen klangen aus seinem Mund immer ein wenig putzig.
    Sascha straffte die Schultern. Er hatte seinen Professor angesprochen. Jetzt konnte er nicht mehr zurück; selbst, wenn er gewollt hätte. Noch einmal sprach er sich Mut zu – warum eigentlich? –, bevor er sagte: »Du erinnerst dich daran, dass ich dir mal von meinem Ex-Freund erzählt habe?«
    »Hm, war das nicht der junge Mann mit der schweren Agoraphobie, zu dem du den Kontakt verloren hast?«
    »Genau.« Sascha war froh, dass Christopher sich an ihre Gespräche über Andreas in früheren Semestern erinnerte. Er hätte die Geschichte ungern von vorn erzählt. »Ich habe ihn vor ein paar Tagen wiedergesehen. In einer Bar.«
    Christopher neigte leicht den Kopf und machte ein Gesicht, als wolle er stumm Anerkennung ausdrücken. »Per Zufall, nehme ich an.«
    »Ja. Es war unglaublich, ihn dort sitzen zu sehen, als wäre er nie krank gewesen. Als hätte er nie ein Problem gehabt, auch nur einen Fuß aus der Haustür zu setzen«, begann Sascha sich Luft zu machen.
    »Das war sicherlich ein tolles Erlebnis. Wie war noch mal sein Name? Andre?«
    »Fast. Andreas.«
    Sie passierten die Getränkeautomaten am Ende des Flures und nahmen die Treppe zur Eingangshalle. Schwüle Luft schlug ihnen entgegen, als sie das Gebäude hinter sich ließen und die Ameisenpfade des Campus betraten.
    »Andreas also«, wiederholte Christopher. »Aber ich schätze, es ist nicht deine Begeisterung über seine Fortschritte, die dich zu mir getrieben hat, oder? Habt ihr euch unterhalten?«
    Sascha schnaubte. »So etwas Ähnliches. Sagen wir, er war nicht … glücklich, mich zu sehen.« Für eine Sekunde schloss er die Augen und tat den nächsten Schritt blind. »Ich habe versucht, mit ihm zu reden. Er wollte nicht. Aber irgendwie konnte ich ihn nicht gehen lassen. Ich war so froh, ihn nach all der Zeit zu sehen. Also bin ich ihm hinterher. Er ist blindlinks über die Straße gerannt. Ich dachte, er klebt gleich am nächsten Auto. Als ich ihm nachgerufen habe, hat er gesagt, ich solle verschwinden. Das könne ich schließlich so gut.«
    Der Professor musterte Sascha von der Seite und hielt inne, als er dessen gequälten Gesichtsausdruck bemerkte. »Nun, ich vermute, er hat es dir übel genommen, dass du dich von ihm getrennt hast. Davon war auszugehen. Aber es ist gut zu wissen, dass es ihm besser geht als damals.«
    »Ja, natürlich«, rief Sascha etwas zu laut. »Aber ich … wollte mit ihm reden und will es immer noch. Um diese Sachen zu klären, die passiert sind. Ich weiß jetzt auch, wo ich ihn finden kann.«
    Überrascht zog Christopher die Nase kraus. »Bist du ihm etwa nach Hause gefolgt? Er wird dir seine Adresse doch nicht freiwillig verraten haben.«
    »Nein. Also ja. Doch. Er wohnt anscheinend schräg gegenüber der Kneipe. Ich habe ihn dort ins Haus gehen sehen. Natürlich bin ich ihm nicht weiter nachgerannt. Ich bin doch kein Stalker. Es ist … ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Ich möchte ihn so gerne sehen und ihm alles sagen, was ich ihm damals nicht gesagt habe.«
    »Was hält dich davon ab?«, hakte Christopher dazwischen. Mittlerweile lauschte er konzentriert und schien vergessen zu haben, dass er dringend in die Bibliothek musste.
    Aufgewühlt sackte Sascha gegen eine nahe Bank und ließ seine Jacke zu Boden gleiten. »Mein Verstand

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