Nach der Hölle links (German Edition)
kannst du dir in die Haare schmieren. Du bist ihm nachgerannt, du hast bei seinen Eltern an der Haustür gekratzt und sonst etwas versucht, um ihn wiederzusehen.
Schon mal auf den Gedanken gekommen, dass dein heiliger Stecher sich von selbst gemeldet hätte, wenn er dich hätte sehen wollen? Ich wette, er war froh, dich loszuwerden. Und du Penner rennst ihm nach drei Jahren noch nach. Er hat dich verarscht. Die ganze Zeit über. Kapier das endlich!«
»Mann …«, hauchte Svenja sichtlich entsetzt und sackte in sich zusammen.
Sascha hingegen konnte spüren, dass ihm alles Blut dem Gesicht schwand. Es kribbelte in seinem Nacken, während er verzweifelt nach Worten suchte. Nils hatte manchmal seine divenhaften Momente, ja. Aber dass er dermaßen unverhohlen in Saschas Wunden stach, war noch nie vorgekommen. Er versuchte sich zu sagen, dass Nils litt und deswegen verbal um sich schlug. Dass ihn die Schwierigkeiten in seiner Familie aufrieben und er fürchtete, seinen Freund zu verlieren.
Aber Sascha konnte nicht. Er konnte nicht gerecht sein oder in Betracht ziehen, dass Nils unglücklich war und deswegen über die Stränge schlug. Er konnte nur zwei Dinge sehen: die Enttäuschung in Nils’ Augen und die Perspektivlosigkeit ihrer Beziehung. Vielleicht zum ersten Mal gestand er sich bewusst ein, dass er in diesen aufgebrachten Zinnzahn, der ihn wütend anfunkelte, nicht verliebt war. In diesem Augenblick war er sich nicht einmal sicher, ob er Nils mochte.
Sascha warf einen hilflosen Blick in Svenjas Richtung, bevor er leise sagte: »Raus hier.«
»Okay«, wisperte die Mitbewohnerin, die sich angesprochen fühlte.
»Nicht du. Er.«
Nils schnappte nach Luft. Die Wut schwand aus seinen Zügen. Sie ließ Entsetzen und ja, auch Schmerz zurück. »Du wirfst mich raus?«
»Du hast mich verstanden«, entgegnete Sascha tonlos. »Wir reden später, vielleicht morgen. Wenn du jetzt bleibst, werde ich etwas sagen, was wir beide bereuen.«
»Du kannst mich doch nicht vor die Tür setzen. Und … und du hast mir versprochen, dass wir heute Abend ins Kino gehen.«
»Raus!«
Unfähig, länger ruhig sitzen zu bleiben, sprang Sascha auf. Er gab sich jede Mühe, seinen Zorn im Zaum zu halten. Aber unter seiner Schädeldecke kochte es. Da kam Nils hierher, unterstellte ihm Betrug, kränkte ihn tief und wollte hinterher mit ihm ins Kino gehen?
Sascha konnte Nils nicht länger in die Augen sehen. Er spürte, dass dessen giftige Saat in ihm einen Nährboden fand. Vielleicht hatte Nils recht. Vielleicht hatte Andreas sich nie melden wollen. Zu seinem Entsetzen bildete sich Druck hinter Saschas Augen. Ruckartig wandte er sich ab und starrte aus dem Fenster, als wäre im Graffiti der nahen Häuserwand die Frage nach dem Sinn des Lebens verborgen.
Hau schon ab, schrie er Nils stumm an. Geh und lass mich allein. Ich kann dich nicht um mich ertragen.
Sascha atmete erst auf, als er die Tür hörte. Sie schlich sich geradezu ins Schloss. Seine Schultern sackten herab. Nach Halt suchend stützte er die Hände auf den Schreibtisch und gab dem Krampf in seiner Kehle nach. Ein verunglückter Laut entkam seinen Stimmbändern, während sich eine einzelne Träne ihren Weg vom Auge über die Nasenwand zur Oberlippe suchte. Sascha leckte sie ab und schmeckte seine eigene Verzweiflung.
Vor einer Woche noch war er zufrieden gewesen. Ja, er hatte sich von Nils in eine Beziehung drängen lassen, die eher einer Zweckgemeinschaft – Sex und Trösten – gleichkam. Dennoch war er bereit gewesen, der Sache eine Chance einzuräumen.
Jetzt tat ihm alles weh. Er hatte es schon wieder verbockt. Nils war stocksauer auf ihn und zu allem Überfluss auf Svenja. Andreas wollte Sascha nicht sehen. Und es ließ sich nicht vermeiden, dass er sich von jemandem trennte, der gerade von seiner Familie verstoßen worden war.
Sascha wusste, dass dieser Entschluss nichts mit Andreas zu tun hatte. Vielleicht hatte er ihm die Augen geöffnet, aber für seine bisherige Blindheit war er selbst verantwortlich. Er glaubte nicht, dass es eine gemeinsame Zukunft für Andreas und ihn gab, für Nils und ihn galt unglücklicherweise das Gleiche. Und er sah keinen Weg, Nils klar zu machen, dass er nicht auf Andreas gewartet hatte.
»Fuck! Fuckfuckfuck!« Sascha trat gegen den Mülleimer, der prompt umfiel und seinen Inhalt über den Teppichboden ergoss.
Nils. Andreas. Andreas. Nils.
Beruhige dich, versuchte er sich zu sagen. Fälle keine Entscheidung. Jetzt nicht. Du bist
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