Nach der Hölle links (German Edition)
zwischen dem »Genie bei der Arbeit«-Aufkleber und dem Poster eines Mannes mit freiem Oberkörper. Das Model lächelte Sascha süffisant zu. Er war versucht, ihm die Zunge herauszustrecken.
»Komm rein.« Es klang dünn und resigniert.
Sascha fragte sich, ob Svenja Nils vorgewarnt hatte. Die Vorwürfe gegen ihre Person am Vortag hatten sie verletzt. Dazu gehörte einiges, denn eigentlich besaß ihre Mitbewohnerin eine dicke Haut, was verbale Attacken anging. Sascha bewunderte Svenja dafür, wie sehr sie mit sich im Einklang war.
Ein letztes Mal presste er die zu kühlen Lippen aufeinander, bevor er die Tür öffnete und eintrat. Nils erwartete ihn mit ineinander geflochtenen Händen und steifen Schultern. Sie wechselten einen dunklen Blick. Sascha senkte zuerst den Kopf.
»Hey«, begann er stockend. »Ich glaube, wir müssen mal …«
»Du bist hier, um Schluss zu machen«, nahm Nils ihm das Wort aus dem Mund. Sein hübsches Gesicht wirkte aufgedunsen. Der Anblick ließ Saschas schlechtes Gewissen explodieren. Gleichzeitig verfluchte er Nils, dass er ihm zuvorgekommen war, denn nun schrie alles in Sascha: »Nein, wir bekommen das hin! Ich verlasse dich nicht.«
Stattdessen sagte er gar nichts, obwohl er wusste, dass er nur nicken musste. Nils’ Offenheit war zweischneidig. Auf der einen Seite fühlte sich Sascha dadurch unter Druck gesetzt, auf der anderen konnte er es sich leicht machen, wenn er aufrichtig genug war.
Als er nicht antwortete, wandte Nils den Blick ab und flüsterte bissig: »Ich habe immer gewusst, dass der Tag kommt. Mir war klar, dass ich abgemeldet bin, sobald Andreas wieder auftaucht.«
In Sascha zog sich etwas zusammen. Dennoch fühlte er sich bemüßigt zu sagen: »Es geht nicht um Andreas.«
»Schon klar«, schnaubte Nils. »Geht es ja angeblich nie. Wann seht ihr euch denn wieder? Heute noch?«
»Wir sehen uns gar nicht wieder«, seufzte Sascha. Das Gespräch bewegte sich in die falsche Richtung. »Können wir … komm schon. Lass uns vernünftig miteinander reden.« Er hatte damit gerechnet, dass Nils sich an Andreas festbeißen würde. Der Zeitpunkt ihrer Trennung ließ kaum einen anderen Schluss zu.
»Reden?« Gehässig lachte Nils auf. »Was gibt es noch zu reden? Du machst Schluss. Ich kann sehen, wo ich bleibe. Warum auch nicht? Ist ja nicht so, dass ich in letzter Zeit nicht genug Keile bekommen hätte, oder? Auf einen mehr oder weniger kommt es ja wohl nicht mehr an.« Für jemanden, der nicht reden wollte, wurde er plötzlich sehr gesprächig. Wütend fuhr er zu Sascha herum: »Was ist das Problem, wenn es angeblich nicht Andreas ist? Was stimmt mit mir nicht, dass ich nicht gut genug für dich bin? Habe ich etwas falsch gemacht? Dir nicht oft genug den Arsch hingehalten? Was hat sich von letzter Woche auf heute geändert, wenn es nicht Andreas ist?«
»Gar nichts.« Sascha konnte nicht richtig denken. Keine von Nils‘ Fragen ließ sich beantworten, ohne ihn zu verletzen.
»Gar nichts?«
»Ja«, nickte Sascha tonlos. Uneingeladen steuerte er auf Nils zu. Er hätte ihn gern berührt und ihm gesagt, dass es nicht an ihm lag. Doch das wäre eine fromme Lüge gewesen. Sascha fühlte sich unendlich schäbig. Es wurde schlimmer, als er zum Sprechen ansetzte. Er zögerte. Sollte er Nils überhaupt mit seinen Gedanken konfrontieren? Es war richtig und fühlte sich trotzdem falsch an.
»Hör mal«, begann Sascha bemüht sanft. Es klang erbärmlich. »Es liegt nicht an dir oder mir. Verdammt, wie soll ich dir …? Ich will dir nicht wehtun. Aber das bringt doch alles nichts. Ich meine, fühlst du dich wohl? Mit uns? So wie ich das sehe …«, er konnte nicht fassen, dass er schon wieder diese Worte wählte, »… es ging uns gut, solange wir Freunde waren. Jetzt ist alles verkrampft. Du weißt, dass du mir wichtig bist, oder?«
Nils verzog das Gesicht zu einer Grimasse, erwiderte jedoch nichts.
»Komm, sei ehrlich«, bat Sascha. »Du weißt, dass ich dich …«
»Liebe? Als Freund?«, zischte Nils, bevor er hochfuhr und mit feuchten Augen auf Sascha zuging. Hart stieß er ihm den Zeigefinger in die Brust. »Ich habe alles versucht. Aber du hast dir kein bisschen Mühe gegeben. Du vergleichst alles und jeden mit Andreas. Du hast aus ihm einen Helden gemacht, der er nicht ist. Er ist und war nur ein kranker, armseliger Typ, der sein Leben nicht in den Griff bekommen hat. Ein Psycho, der dich benutzt hat wie du mich.«
Scharf sog Sascha die Luft ein. Der Ball aus Schuld in
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