Nach der Hölle links (German Edition)
zweifelte für eine Sekunde an seinem Verstand. Der Ruf – fern und verzerrt durch die Wände des Hausflurs – wiederholte sich. Wie unter einem Stromschlag zuckte er zusammen. Hoffte, fluchte, wusste nicht, was er tun sollte.
Es polterte im Treppenhaus.
Ignorieren, sagte er sich. Wer immer es ist.
Dabei wusste Andreas längst, wer es war. Sein Unterbewusstsein nahm das Timbre der Stimme auf und ordnete es zu. Was blieb, war die Frage, was er jetzt tun sollte.
Die Haare an Andreas’ Unterarmen richteten sich auf. Das Licht des offenen Kühlschranks war zu hell in seinen Augen, die ausströmende Kälte griff nach seinen nackten Waden.
Nicht darauf eingehen. Nicht die Tür öffnen. Sich dem Eindringling nicht stellen. Ihm.
Sascha. Der Name seines Ex-Freundes war mehr als ein Wort. Er war ein geheimnisvolles Tier, das unter seinem hübschen Fell eine Vielzahl Tentakel versteckte. Tentakel, die mit Widerhaken versehen waren, die sich in Hirn und Herz bohrten.
Andreas hatte ein Jahr gebraucht, um sich das Gestrüpp aus dem Bewusstsein zu reißen – und doch waren Reste zurückgeblieben.
»Andreas! Wo bist du?« Die Stimme brach ab. Stattdessen rumste es von Neuem. Es klang, als hätte ein Knie Kontakt mit einer Stufe bekommen.
Mit steifen Beinen und rasendem Herzen schlich Andreas in den Flur und lauschte. Aus einer der anderen Wohnungen brüllte jemand: »Geht’s noch da draußen?«
Sascha erwiderte etwas, das Andreas nicht verstehen konnte. Verdammt. Er sollte sich ins Bett legen und das Kissen über die Ohren ziehen. Einer seiner Nachbarn würde Sascha schon vor die Tür setzen.
Nur, er kannte Sascha. Zumindest hatte er einst geglaubt, ihn zu kennen. Er war nicht der Typ, der mitten in der Nacht bei fremden Leuten auftauchte – schon gar nicht bei Leuten, die deutlich gemacht hatten, dass sie ihn nicht sehen wollten. Es sei denn, er war betrunken. Und Betrunkene stürzten schnell.
»Dämlicher Idiot«, schnappte Andreas. Er musste nach ihm sehen, ob es ihm gefiel oder nicht. Er wollte nicht schuld sein, wenn es plötzlich einen Schlag tat und Sascha die Treppen herunterkugelte. Das verdiente er trotz all des Leids, das er verursacht hatte, dann doch nicht.
Andreas wäre lieber stark geblieben. Mit Freude hätte er sein Gewissen ignoriert und Sascha im Treppenhaus hocken lassen. Aber ein solcher Mensch war er nicht, wollte er nicht sein und Sascha würde ihn nicht dazu machen.
Es kostete ihn ein gutes Stück Willenskraft, die Tür aufzureißen und die Beleuchtung zum Leben zu erwecken. Ein verbissener Zug lag um Andreas’ Mund, als er einen Schuh in die Tür schob und einen Blick nach draußen wagte.
Sascha war auf der ersten Etage angelangt. Er klammerte sich ans Geländer und spähte nach unten, als wäre er nicht sicher, wie er so hoch hinaufgekommen war.
»Verwechsle das Ding bloß nicht mit einer Reling«, brummte Andreas, während sich seine bloßen Füße unwillkürlich in Bewegung setzten. »Wehe, du kotzt in den Flur.«
Andreas verfluchte die Tatsache, dass er sich nach dem Duschen nicht richtig angezogen hatte. Das Treppenhaus war kalt, Muskelshirt und Boxershorts waren kaum der richtige Schutz.
Er strebte auf den Eindringling zu, bevor er wusste, was er mit ihm anfangen sollte. Unterwegs ärgerte er sich über seine Dummheit. Wäre er letzte Woche nicht Hals über Kopf nach Hause geflüchtet, hätte Sascha nicht gewusst, wo er wohnte. Und er würde jetzt nicht mit unsicheren Beinen auf der Treppe herumeiern und den Eindruck machen, jeden Augenblick in die Knie zu gehen.
»Was zum Geier tust du hier?«, zischte Andreas halblaut, als er Sascha gegenüberstand. Der scharfe Geruch des Alkohols stieg ihm entgegen.
»Oh, da bist du ja«, gluckste sein Besucher, der nicht ansatzweise so aufgeräumt wie bei ihrer letzten Begegnung aussah. Ein Schatten unter den Wangenknochen kündete von Stress. Von dem Wischmopp, der in einem früheren Leben die Bezeichnung Frisur verdient hätte, gar nicht erst zu reden.
Ein bittersüßer Nachhall vergiftete Andreas’ bis dahin ablehnende Haltung. Auf zehn wütende Herzschläge kam einer, der nicht in die Tonfolge passte. Er störte die Harmonie, da er Teil eines anderes Liedes war.
»Hab dich gesucht«, nuschelte Sascha und näherte sich Andreas aufdringlich. Sein Oberkörper reckte sich in einem Winkel, der verriet, dass er Probleme mit dem Gleichgewicht hatte.
»Schön, du hast mich gefunden. Und jetzt?«, gab Andreas zurück, wenn er auch keine
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