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Nach dir die Sintflut

Nach dir die Sintflut

Titel: Nach dir die Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Kaufman
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Si∂ri angepasst hatte, wie
leicht es ihm zu fallen schien. Zum ersten Mal in ihrem Leben betrachtete sie ein solches Leben als echte Option, und dieser Gedanke brachte etwas in ihrem Inneren zum Schwingen. Sie wollte es sich kaum eingestehen, aber in ihr regte sich der Wunsch, ebenfalls so zu leben. Noch bevor er wachsen konnte, rang Aby ihn nieder und stieg aus dem Bett.
    Obwohl sie normalerweise alles andere als ein leichtes Mädchen war, hatte Aby sich leicht verführen lassen. Die Einsamkeit, die günstige Gelegenheit und die Befürchtung, ihr altes Leben könne sich dem Ende neigen, hatten ihr Übriges getan. Seit Aby den weißen Honda Civic gestohlen hatte, war sie überzeugt, darin sterben zu müssen. Sie war so überzeugt davon, in einen tödlichen Unfall verwickelt zu werden, dass sie bei jedem zurückgelegten Kilometer nicht an das Prairie Embassy Hotel und ihre Mutter dachte, sondern an den Zusammenstoß, der zwischen ihr und dem Ziel lag und der sie umbringen würde. Und dann würde sich ihre Seele, Aby glaubte fest daran, in eine Sála-Glorsol-Tinn verwandeln.
    Bei diesem Gedanken verspürte Aby den heftigen Wunsch, wieder in Ásts Bett zu kriechen. Sie schlüpfte unter die Laken und versteckte sich nicht nur hinter der Baumwolle, sondern hinter dem Anschein von Ruhe und Geborgenheit. Zwanzig Minuten lang fühlte sie sich sicher und frei von Angst, aber in Minute einundzwanzig setzten die Schuldgefühle wieder ein. Aby versuchte gar nicht, sich dagegen zu wehren. Kopfschüttelnd stieß sie durch die Kiemen einen kleinen Seufzer aus, dann machte sie sich auf die Suche nach ihrer Kleidung. Sie hatte sich angezogen und war schon an der Haustür, als Ást, in ein Bettlaken gewickelt, sie erwischte.
    »Du willst schon gehen?«, fragte er. Er sprach Hli∂afgo∂isch, und zum ersten Mal fiel Aby auf, wie distinguiert sein Sprechen war. Sein Akzent wies eindeutig auf Oberschicht hin.

    »Ich muss weiter«, sagte Aby, die sich plötzlich ein bisschen für ihren Akzent schämte.
    »Bitte bleib.«
    »Ich kann nicht.«
    »Nur zum Frühstück?«
    Aby schüttelte den Kopf.
    »Dann lass mich wenigstens einen Blick auf dein Auto werfen. Motor, Bremsen, alles. Damit du sicher bist.«
    Aby sah ein, dass sie noch nicht gehen konnte. Sie schloss die Haustür. Sie schwor sich, nicht länger als drei Stunden zu bleiben und sich dann auf den Weg zu machen. Sie folgte Ást, obwohl der nicht die Küche anzusteuern schien.
    Sechs Stunden später konnte Aby nur noch seine Füße sehen. Der Rest von Ást lag unter dem weißen Honda Civic. Sie hörte das Scharren von Metall auf Metall, ein durchdringendes, schrilles Geräusch, das unangenehm klang und doch von handwerklichem Können zeugte. Sie verspürte den Impuls, die Schwimmhaut zwischen Ásts Zehen zu berühren, aber sie riss sich zusammen. Sie war ohnehin schon viel zu lange geblieben.
    »Dann bist du also Aquatikerin, hm?«, fragte die Stimme von Ást, die scheinbar nichts mit seinen Füßen zu tun hatte.
    »Woran hast du das gemerkt?«
    »An deinem großen Appetit.«
    »Ach, das ist doch Unsinn!«
    »Warum riskierst du es, hier zu sein?«
    »Meine Mutter.«
    »Sie hat entwässert?«
    »Ja.«
    »Wie alt?«
    »Einhundertsiebenundzwanzig.«
    »Hat sie schon den Ry∂ ? Den Rost?«
    »Wie alle in meiner Familie.«

    »Ab wann?«
    »Endhundertzwanziger.«
    »Dein Blaulicht soll leuchten, hm?«, fragte Ást.
    Obwohl er Aby nicht sehen konnte, wurde ihm im selben Moment klar, dass er zu weit gegangen war. Die Aquatiker glauben, dass beim Tod eines Hli∂afgo∂ zwei Zeichen beweisen, dass er das Koma erreicht hat, den Zustand der Heiligkeit. Erstens schießt im Moment des Todes eine leuchtend blaue Flamme auf. Zweitens nimmt die upplifa , wenn sie in den Himmel steigt, nicht die Eigenschaften der Wolke an, sondern zwingt ihre Eigenschaften der Wolke auf. Die Koma upplifa fällt nicht als Regen auf die Erde zurück, sondern reist in die nächste Welt weiter, und die Wolke mit ihr.
    »Tut mir leid«, sagte Ást. Er blieb unter dem weißen Honda Civic liegen, ohne weiterzuarbeiten. »Ich wollte nicht gemein sein.«
    »Ist schon okay.«
    »Und wenn sie nicht ins Wasser zurückmöchte?«
    »Das kommt nicht in Frage.«
    »Dann hast du also einen Ausweichplan?«
    »Ja.«
    »Zur Not wirst du Gewalt anwenden?«
    »Kann sein.«
    Ást rutschte unter dem Auto hervor. Sein Gesicht war ölverschmiert, das T-Shirt spannte sich um seine muskulösen Oberarme. »Da unten sieht alles prima aus«,

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