Nach dir die Sintflut
der Veranda stehen.
Durch das Fahrerfenster blies Staub herein und legte sich auf Abys Finger, die immer noch am Lenkrad festgekrallt waren. Nur ihre Fingerknöchel schimmerten bleich. Der Rest ihres Körpers leuchtete in einem satten Dunkelgrün.
Das Bremspedal berührte immer noch die Allwetter-Fußmatte, der Motor lief. Aby verharrte minutenlang in derselben Haltung, bis ihr rechtes Bein zu zittern begann. Sie ließ das Lenkrad los und nahm den Fuß von der Bremse. Die Kiemen an ihrem Hals öffneten sich, und Aby holte tief Luft. Der Staub ließ sie husten.
Aby beugte sich vor, fuhr den Riss in der Windschutzscheibe mit dem Finger ab und hielt am Endpunkt inne, einen halben Zentimeter von der linken oberen Ecke entfernt. Aby hatte gewonnen. Sie zog die Kiemen an und ließ dann eine besonders
große Menge Luft entweichen. Den Wettlauf gegen den Riss gewonnen zu haben erfüllte sie mit einem Anflug von Optimismus, der jedoch gedämpft wurde, als sie ein zweites Mal husten musste. Aby beugte sich auf dem Fahrersitz vor, um das Prairie Embassy Hotel in seiner vollen Größe in Augenschein zu nehmen.
Aby fürchtete, ein verlassenes Gebäude vorzufinden; aber eigentlich waren ihr alle Si∂ri-Häuser unbewohnt vorgekommen. Auf jeden Fall war das Hotel viel kleiner, als sie gedacht hatte. Die Holzwände wirkten instabil. Aby missfielen der verblichene, gelbliche Anstrich des Hotels und die Tatsache, dass es ihre Mutter für so viele Jahre beherbergt hatte.
Aby stellte den Motor ab und blieb im Auto sitzen, ohne den Finger von der Windschutzscheibe zu nehmen. Als ihre Hand sich verkrampfte, spreizte Aby die Finger und massierte die Schwimmhäute. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Eine Weile später hatte sie das sichere Gefühl, beobachtet zu werden. Sie öffnete die Augen und entdeckte ihre Mutter, die durch das Beifahrerfenster hereinstarrte. Aby lächelte, bekam aber kein Lächeln zurück.
Margaret blinzelte nicht, ihr Gesicht verriet keinerlei Emotion.
»Ich gehe nicht zurück«, sagte sie.
Aby kurbelte das Fenster herunter.
»Ich gehe nicht zurück«, wiederholte Margaret.
»Deswegen bin ich nicht gekommen.«
»Bist du immer noch Aquatikerin?«
»Lass uns nicht damit anfangen«, sagte Aby, aber Margaret hatte sich bereits umgedreht und entfernte sich vom Auto.
Aby öffnete die Fahrertür, hatte aber große Probleme damit, vom Sitz hochzukommen. Ermutigt durch die gelungene Flucht aus der Raststätte und durch die Begegnung am Vorabend, als
sie dem Fremden problemlos die Schlüssel gebracht hatte, hatte Aby nicht einmal mehr vor dem unebenen Boden Angst, den sie nun betrat. Sie verlagerte ihr gesamtes Körpergewicht auf den linken Fuß und tat einen Schritt in der Hoffnung, möglichst lässig zu wirken. Sie strauchelte nicht. Sie tat einen weiteren Schritt, dann noch einen. Als sie den Kopf hob, um die Reaktion ihrer Mutter zu sehen, wurde ihre Brust von einem kraftvoll geschleuderten Apfel getroffen.
Aby ruderte mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und schaute in die Richtung, aus der der Apfel gekommen war. Sie sah ihre Mutter auf der Veranda des Prairie Embassy Hotels stehen. Sie hielt einen zweiten Apfel in der Hand, zu ihren Füßen stand ein ganzer Korb. »Ich werde nicht zurückgehen!«, schrie Margaret. Sie zielte und warf.
Aby konnte sich unter dem zweiten Apfel wegducken, doch der dritte traf sie mitten auf die Stirn, so dass sie umkippte. Während sie rückwärts fiel, streifte der vierte Apfel ihre Nase. Sie versuchte sich aufzurappeln, während die Äpfel auf ihre Schultern einprasselten und ihren Kopf nur knapp verfehlten. Auf Händen und Knien kroch Aby zum weißen Honda Civic zurück. Mit einem dumpfen, metallischen Geräusch krachten Äpfel auf die Motorhaube. Als Aby die Fahrertür zuzog, klatschten zwei Äpfel in die Windschutzscheibe. Aby saß am Steuer und beobachtete den letzten Apfel, der die Scheibe exakt in der Mitte traf und den Riss bis in die linkere obere Ecke trieb.
6
The Impostors: Lewis (zweiter Teil)
Einundzwanzig
Die unsportliche Hand Gottes
Lewis stand auf, dann setzte er sich wieder auf die Bank. Um sich selbst keine Gelegenheit zu geben, die Nerven zu verlieren, stand er schnell wieder auf und überquerte die Straße. Er zog die Hände aus den Hosentaschen, öffnete die Tür zu Ear Candy Records und trat ein. Der braune Teppich musste dringend gesaugt werden. Ein dünner Mann mit grünem T-Shirt und schwarzer Hose stand hinter dem
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