Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach dir die Sintflut

Nach dir die Sintflut

Titel: Nach dir die Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Kaufman
Vom Netzwerk:
Band namenlos. Der Traum verblasste, und Lisa und Lewis entfernten sich unmerklich voneinander. Das Ziel von der Bandgründung verkam zu einer Hoffnung, die Hoffnung zu einer vagen Idee. Dann kaufte Lisa in einem Secondhandshop für siebzehn Dollar ein gebrauchtes Casio-Keyboard. Indem sie Lewis wiederholt zu seiner schönen Stimme gratulierte, konnte sie ihn davon überzeugen, dass sie mehr nicht bräuchten.
    Drei Wochen lang probten sie in Lisas Keller. Weil sie weder Noten lesen noch improvisieren konnten, beschlossen sie, ein eigenes Lied zu schreiben, statt die Stücke anderer Leute einzustudieren. Ihre Komposition nannten sie »Sounds Like
Something Forever«. Das Lied bestand aus einer recht schlichten Keyboard-Melodie, der Text erzählte die Geschichte zweier bester Freunde, die miteinander die wahre Liebe entdecken. Hauptsächlich hatte Lisa ihn geschrieben. Am letzten Schultag vor den Frühjahrsferien fand in der Aula ein Bandwettbewerb statt, und Lewis und Lisa absolvierten ihren ersten Auftritt.
    Sie warteten links in der Kulisse, als Threats of Youth , ein Name, den Lewis und Lisa gleichermaßen fantastisch fanden, unter donnerndem Applaus die Bühne verließen. Lewis und Lisa betraten die Bühne. Lisa trug das Casio-Keyboard unter dem Arm. Lewis hatte nur seine Stimme und seine Frisur. Lisa schloss ihr Instrument an, Lewis starrte auf seine Füße, und dann begannen sie zu spielen.
    An die Details seines ersten Auftritts konnte Lewis sich später nicht mehr erinnern. Er wusste nicht mehr, wie er gesungen hatte, ging aber von einer eher schwachen Leistung aus. Er wusste nicht mehr, wie gut Lisa gewesen war - nicht allzu gut, nahm er an, immerhin spielte sie ein Casio-Keyboard. Deutlich erinnern konnte er sich nur an die Stelle kurz nach dem zweiten Refrain, als die Überleitung begann und er es gewagt hatte, den Kopf zu heben und ins Publikum zu schauen. Von dem Moment an war er wie verwandelt. Sein ganzes Leben lang hatte Lewis sich seiner Umwelt entfremdet gefühlt, abgeschnitten und allein. Während des Auftritts blieb dieses Gefühl bestehen, aber die Dynamik hatte sich jetzt, wo er auf der Bühne stand, umgekehrt. Er stand nicht außen vor, sondern darüber. Er fühlte sich nicht mehr abgewiesen, sondern bewundert, und er wünschte sich, es würde niemals enden.
    Es gab nur wenig Applaus. Sie konnten den Wettbewerb nicht gewinnen. Aber zwei Tage später beschlossen sie, nach Halifax zu ziehen, um Kunst und Design am Novia Scotia College zu studieren. Der Entschluss stand fest, noch bevor das
Studienprogramm und die Bewerbungsformulare eingetroffen waren. Weder Lisa noch Lewis waren jemals an der Ostküste gewesen. Noch nie hatten sie ohne ihre Eltern gewohnt. Sie hatten sich immer noch nicht geküsst. Aber sie bewarben sich beide, beide wurden angenommen, und keiner stellte ihren Plan in Frage.
    Drei Wochen vor Semesterbeginn kamen sie in Halifax an, jeweils einen Rucksack auf dem Rücken. Sie wohnten im Halifax International Hostel am südlichen Ende der Barrington Street, wo unverheiratete Männer und Frauen strikt voneinander getrennt untergebracht wurden. Lisa achtete darauf, unten im Stockbett zu liegen, so dass Lewis um kurz nach drei Uhr morgens zu ihr ins Bett kriechen konnte. Sie umarmten einander für den Rest der Nacht, und kurz vor Sonnenaufgang schlich Lewis in sein Zimmer zurück.
    Neun Nächte später hatten sie im dritten Stock eines heruntergekommenen Hauses an der Ecke von Creighton und Cornwallis eine Zweizimmerwohnung gefunden. Bei starkem Wind fing das Gebäude zu wanken an, aber wenn Lisa sich in der Ecke ihres Zimmers auf einen Stuhl stellte, konnte sie den Hafen sehen. Jeden Abend legte Lewis sich auf seinem Futon schlafen, nur um eine Stunde später unter Lisas Decke zu kriechen und kurz vor Sonnenaufgang wieder in sein Zimmer zurückzukehren.
    Als das Semester anfing, hatten Lisa und Lewis den Liebesakt immer noch nicht vollzogen. Dafür studierten sie nun gemeinsam, wie man zum Künstler wird. Weil sie nicht genau wussten, ob sie nun Künstler waren oder nicht, imitierten sie einfach jene, bei denen der Fall klarer lag. Sie tranken Alkohol. Sie rauchten Kette. Sie hingen in Kellerbars herum, und kurz nach den Weihnachtsferien fingen sie an, sich durch die Gegend zu schlafen. Lisa jedenfalls. Lewis hingegen hatte die Sache trotz
zahlreicher Gelegenheiten und anfänglicher Begeisterung rasch satt.
    Zuerst versuchte er, die nächtlichen Geräusche aus Lisas Zimmer zu

Weitere Kostenlose Bücher