Nach dir die Sintflut
oder an Karma oder Schicksal. Nichts davon wird dich beschützen. Meinst du, siebzig Jahre voller irgendwas, voller Glück meinetwegen, voller Euphorie , könnten sieben Monate Darmkrebs aufwiegen? Nein, können sie nicht.«
Lewis versuchte zu antworten, aber Lisa kehrte ihm den Rücken zu. Sie warf den Basketball weg, ging vom Platz und ließ Lewis einfach stehen.
Zweiundzwanzig
Gespenster in der Kronprinzensuite
Kurz nach Mitternacht fing Lewis an, seine Hotelsuite nach dem Basketball abzusuchen. Er war sich sicher, ihn mitgenommen zu haben. Er konnte sich daran erinnern, ihn von dem asphaltierten Basketballfeld aufgehoben zu haben. Er konnte sich daran erinnern, den Ball durch die Broadway Avenue und über die Stufen des Fort Gary gedribbelt zu haben. Er konnte sich daran erinnern, sich den Basketball in der Lobby unter den Arm geklemmt zu haben. Im Aufzug, da war Lewis sich sicher, hatte er ihn gegen die Wand springen lassen und aus Versehen die Stockwerke sieben, acht und elf gedrückt. Aber jetzt konnte er den Ball nicht mehr finden.
Er suchte das Bad und das Wohnzimmer ab, schaute unter dem Bett und hinter dem Fernseher nach. Er wusste nicht mehr, was er mit dem Ball gemacht hatte. Um Mitternacht zog Lewis sich aus, stieg ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf. Um 0:17 drehte er den Wecker zur Wand um. Er schlug sein Kissen auf. Er drehte sich auf die Seite und rollte sich zu einem Ball zusammen. Er konnte trotzdem nicht aufhören, an den Basketball zu denken.
Kurz nach zwei Uhr stand Lewis auf, zog sich an und verließ die Kronprinzensuite. Er schritt den Flur der Länge nach ab, ohne den Basketball zu finden. Er ging durch sämtliche Flure auf seiner Etage, aber immer noch kein Ball. Er drückte auf den Abwärts-Knopf des Aufzugs und wartete. Als die
Türen zum rechts gelegenen Aufzug sich öffneten, stieg Lewis nicht ein. Er drückte den Knopf erneut. Als der linke Aufzug hielt, ging Lewis hinein, immerhin war er mit diesem Aufzug heraufgekommen. Aber auch hier war kein Basketball zu sehen.
Lewis fuhr nach unten. Die Türen öffneten sich zur Lobby. Lewis ging zum Empfangstresen. Er war erleichtert, Beth zu sehen, die allein arbeitete.
»Guten Abend«, sagte Beth.
»Sammeln Sie hier die Fundsachen?«
»Ja.«
»Ist ein Basketball abgegeben worden?«
»Da muss ich mal nachsehen«, sagte Beth, ohne sich zu rühren. Sie schien auf ein Zeichen von Lewis zu warten.
»Ich werde warten«, sagte Lewis. Beth ging durch die Tür hinter dem Tresen, ohne Lewis aus den Augen zu lassen. Lewis wartete. Außer ihm war niemand in der Lobby. Keine Gäste waren anwesend, und kein Portier. Lewis stand allein in einem Saal herum, der Hunderten von Menschen Platz bot, und plötzlich bekam er sehr große Angst. So als fürchte er, auf ewig zu verschwinden, wenn niemand mehr zusah. Dann hörte er, wie Beth zurückkam und sich wieder hinter den Tresen stellte.
»Nein, tut mir leid. Kein Basketball. Keine Sportgeräte irgendwelcher Art.«
»Oh«, sagte Lewis. Er war traurig.
»Ist alles in Ordnung?«
»Mit geht es gut. Wirklich. Aber anscheinend kann ich meinen Basketball nicht wiederfinden.«
Lewis ging zum Aufzug und übersah, dass Beth weiterhin ein besorgtes Gesicht machte. Er drehte sich nicht mehr um, während er wartete. Er fuhr zu seinem Stockwerk hinauf, öffnete
die Tür mit seiner Karte und war sehr überrascht, seine Frau links neben dem Bett stehen zu sehen. Sie hatte Originalgröße, war jedoch durchsichtig.
»Schnell«, sagte sie, »lange halte ich das nicht durch!«
»Es tut mir so leid.«
»Du bist ja wirklich durch den Wind.«
»Ich weiß.«
»Du musst dich damit auseinandersetzen.«
»Soll ich schneller trauern?«
»Lewis, du hast noch nicht einmal angefangen.«
Lewis trat ein und machte die Tür hinter sich zu. Schon war seine Frau dabei zu verblassen. Er konnte den Teppich durch ihre Beine sehen und die Blümchentapete hinter ihren Schultern und ihrem Kopf.
»Was soll ich tun?«
»Zunächst einmal solltest du nicht mehr auf diese Frau hören.«
»Ich weiß. Ich weiß. Sie tut mir nicht gut.«
»Abgesehen davon bist du auf dem richtigen Weg.«
»Auf welchem Weg? Was tue ich denn?«
»Weiter so.«
»Womit? Was tue ich denn?«
»Konzentriere dich auf deine Sinne. Auf das, was du berühren kannst …«
Lisa redete noch weiter, aber Lewis konnte sie nicht mehr hören. Sie verschwand mit einem leisen, aber deutlich hörbaren »Pfff«.
Dreiundzwanzig
Was dich nicht umbringt,
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