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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ein reicher Kerl, dem McClane in Die Hard 3 das Leben gerettet hat. Das riesige, aus dunklem Stein gebaute Schloss ist von einem Wassergraben umgeben und mit der funktionierenden Zugbrücke vor allem bei reichen amerikanischen und japanischen Gästen beliebt. Waltraud Gruber, die Mutter von Hans und Simon, die McClane in Die Hard 1 und Die Hard 3 getötet hat, taucht aus ihrem Exil in Argentinien auf, wo sie und alte Nazifreunde ein Weingut betreiben und mit Drogen- und Waffenhandel den weltweiten Aufbau von rechtsextremen Zellen finanzieren. Natürlich ist sie die anonyme Spenderin der Familienreise, und natürlich will sie Rache für ihre Söhne. Ihr Plan ist es, Holly und die Kinder umzubringen und es so aussehen zu lassen, als habe McClane die Morde begangen, weil Holly ihn verlassen wollte. Dazu engagiert sie einen Spezialisten, der in Hollys Schrift einen Trennungsbrief verfasst, den die Polizei später bei McClane finden soll. Waltraud nimmt Drogen und ist völlig durchgeknallt, und sie will sehen, wie McClane leidet und sich aus Verzweiflung das Leben nimmt. Das Drehbuch ist düster und ziemlich schräg, es kommen Geister darin vor, die im Schloss spuken, und eine Weile lasse ich die Zuschauer im Glauben, die süße Lucy sei tot, aber außer der Schurkin, ihren Komplizen und John McClane muss niemand sterben. Ein Schuss Humor kommt auch in die Geschichte, weil sich einer der Zimmerkellner unsterblich in Waltraud verliebt und ihr bei ihren Mordplänen im Weg steht, so ähnlich wie Jack Lemmon dem Profikiller Walter Matthau in Buddy, Buddy . In der Rolle Waltrauds sehe ich Judi Dench oder Meryl Streep.
    Ich habe keine Ahnung, wie man Drehbücher schreibt, aber in der Bibliothek gibt es Literatur zu dem Thema. Es scheint, als hätten sämtlicheAutoren, von denen mal ein Script verfilmt wurde, ein Lehrbuch verfasst. Die Anleitungen sind meistens für Anfänger gedacht, Studenten und Hausfrauen, Leute, die es zur Abwechslung mit Drehbuchschreiben statt Gedichten oder naiver Malerei versuchen wollen. Vielleicht gehe ich die Sache wirklich mal an, um zu sehen, ob ich eine erste Fassung hinkriege. Ich könnte mir bei Winston eine gebrauchte Schreibmaschine besorgen und nachts arbeiten, wenn hier sowieso nichts los ist. In einem Monat sollten die hundertzwanzig Seiten zu schaffen sein.
    Vielleicht fliege ich mit dem fertigen Drehbuch nach Los Angeles und biete es einem Agenten an. Vielleicht ist ganz Hollywood von mir begeistert, und ich plaudere schon bald mit Bruce Willis am Set meines Films, für den man mir außer ein paar Millionen auch die Regie angeboten hat.
    Vielleicht steht Aimee morgen in der Hotellobby und wir sind wieder zusammen.
     
    Ich liege auf meinem Bett und schließe die Augen. Aus Dobbs’ Zimmer dringt kaum hörbar das Radio. Dobbs mag Swing, er versetzt ihn in die Zeit, bevor die Dinge passiert sind, die ihn aus der Bahn geworfen haben. Ich versuche mich an Musik zu erinnern.

Mercury Rising
1998
    Manchmal, wenn sie sich alleine wähnte, summte Alice Krugshank vor sich hin. Es war keine erkennbare Melodie, die im Innern ihres dünnen Körpers entstand, sondern eine lose Folge von Tönen, nur dazu da, das andere Geräusch in ihrem Kopf zu überdecken. Während Alice summte, vertieft in das Machen eines Bettes oder das Falten von Wäsche, hielt Wilbur den Atem an und lauschte dem leisen Klang. Er erinnerte sich an Orla, die im Auto bei offenem Fenster gegen den Motor angesungen hatte, laut und voller hervorbrechender Lebenskraft. Aber Alice sang nicht, ihr Mund war geschlossen und das Summen eine zufällig mäandernde Musik, ein an- und abschwellender Strom aus langgezogenen Tönen, die das stille Haus füllten.
    Lawrence Krugshank hatte Alice vor etwas mehr als elf Jahren verlassen und lebte mit seiner neuen Frau in Baltimore. Nachdem Eamon McDermott den kleinen Wilbur aus Chestnut Hill geholt hatte, war Alice in eine tiefe Depression gefallen. Tagelang lag sie im Bett, aß nichts und weinte, und nicht einmal der Besuch von Ruby Fletcher, die noch immer nicht adoptiert worden und deshalb Alices Lieblingsmädchen war, vermochte sie aus ihrem Dämmerzustand zu holen. Fünf Wochen blieb sie im abgedunkelten Zimmer, lag zusammengekrümmt da und starrte vor sich hin, fiel in kurzen, tiefen Schlaf und weinte wieder, trank Tee und Suppe, die Lawrence ihr trotz matter Gegenwehr einflößte. In der sechsten Woche stand sie auf, blieb aber in der kleinen Wohnung und konnte durch nichts dazu bewegt werden,

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