Nach Hause schwimmen
Paar Schuhe bekommen und eine Sonnenbrille. Harold und Louise hatten ihm einhundert Dollar zum Geburtstag geschenkt, von denen er Briefpapier, Umschläge und einen Füllfederhalter gekauft hatte. Den Rest wechselte er in irische Pfund und schickte sie, zusammen mit einem Brief, an Conor, der noch immer in Four Towers saß. An Matthew und Sune schrieb er ebenfalls. Matthew, inzwischen siebenundsiebzig Jahre alt, lebte wieder in Norwich, unterrichtete aber nicht mehr. Vor fünf Jahren war er für ein paar Tage zurück in die Heimat geflogen, weil seine Frau gestorben war und in Manchester, wo sie mit ihrem dritten Mann gelebt hatte, beerdigt wurde. An der Trauerfeier lernte Matthew Cynthias Schwägerin Norma Kennedy kennen und verliebte sich in die neun Jahre jüngere Frau, die als Fotografin arbeitete.
Im ersten seiner beiden Briefe an Wilbur lag ein Schwarzweißbild, das mit Selbstauslöser aufgenommen worden war. Es zeigte Matthew und Norma auf einem umgedrehten Ruderboot sitzend vor einem See, beide sahen ernst und glücklich in die Kamera. Zu ihren Füßen lagendie Ruder und, zusammengerollt auf einer Jacke, eine Katze, die Wilbur bekannt vorkam, im Hintergrund standen Wolken über einer Bergkette. Der Brief trug den Stempel vom 11. Oktober 1996. Matthew erzählte darin von seinen Plänen, das Haus in Portsalon über einen lokalen Makler zu verkaufen und sich seine Habseligkeiten nach England schicken zu lassen. Er fragte, wie es Wilbur gehe, und bat ihn zu antworten. Pauline hatte Wilbur den Brief nie gegeben, auch den zweiten nicht, der fünf Wochen später gekommen war.
Wilbur schickte Matthew siebzehn eng beschriebene Seiten. Sune bekam neun. Eine Telefonnummer konnte er nicht angeben, weil das Haus noch immer vermietet wurde und die Leitung stillgelegt worden war. Beiden Briefen hatte er ein Foto beigelegt, das Alice aufgenommen hatte. Wilbur stand vor dem offenen Maul eines Pottwals, der lebensgroß und aus Kunststoff den Parkplatz eines Seafoodrestaurants zierte.
Ende Mai verließen Alice und Wilbur Long Island und fuhren nach Brooklyn. Das Haus würde bis in den September hinein für sehr viel Geld vermietet sein, außerdem wollte Alice Wilbur New York zeigen. Die Umstellung von sieben auf zwei Zimmer fiel beiden nicht ganz leicht, aber nach ein paar Tagen legten sie ihre Befangenheit ab und gewöhnten sich an das Zusammenleben in der kleinen Wohnung. Wilbur schlief auf dem Sofa im Wohnzimmer und bekam die Hälfte des Einbauschranks für seine Sachen. Alice arbeitete zwei Wochen lang nur noch am Morgen im Reformkostladen, um nachmittags mit Wilbur Ausflüge nach Manhattan unternehmen zu können. Sie besuchten Ellis Island und Liberty Island, standen in der Krone der Freiheitsstatue und auf dem Empire State Building, streiften durch Chinatown und Little Italy und ließen sich durch den Central Park kutschieren.
Wilbur verschlug es im Schatten der Wolkenkratzer die Sprache, er stand staunend in der Halle der Grand Central Station, und während eines Heimspiels der New York Giants saß er neben Alice und schrie im Chor mit den übrigen Fans, obwohl ihm die Regeln des American Footballs ein Rätsel waren. Auf Coney Island fuhren sie Riesenrad, und Wilbur sah den Steg, von dem seine Mutter damals die Münzen ins Meer geworfen und sich ein Kind gewünscht hatte, ihn.
Trevor und Clive empfingen Wilbur mit offenen Armen, fütterten ihn mit zuckerfreien Keksen und organischem Obst und zahlten ihm zwei Dollar fünfzig die Stunde, wenn er vor dem Laden Handzettel verteilte. An den Wochenenden ging er mit Alice in die Lower East Side und half den beiden alten Männern beim Wechseln des Wassers in den Karpfenbecken und sah mit ihnen Super-8-Filme an, die Trevor in den sechziger und siebziger Jahren gedreht hatte. Trevor Cohen war früher Journalist gewesen und für diverse Zeitungen und Zeitschriften um die Welt gereist. Clive Lombard hatte als junger Mann in Korea gekämpft und danach an verschiedenen Colleges in Maine und New Hampshire Geschichte unterrichtet. Mit sechzig Jahren begegneten sie sich in einer Klinik in Queens, wo beide wegen Magengeschwüren behandelt wurden, und beschlossen, gemeinsam einen Laden für Gesundheitskost zu eröffnen.
Wenn sie nicht ins Kino oder ein Konzert im Central Park gingen, saßen Alice und Wilbur zu Hause im Wohnzimmer und lasen, spielten Scrabble oder sahen fern. Manchmal stießen beim Versuch, gleichzeitig nach der Fernbedienung oder dem Stoffbeutel mit den
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