Nach Hause schwimmen
krummem Rücken, Melvin zufolge ein Abtrünniger von Amischen aus Ohio, der die Tischlerei leitet, sägt im hinteren Teil der Halle Holz auf einer Maschine. Zwei Pfleger spielen an einem Tisch beim Eingang Schach und überzeugen sich gelegentlich davon, dass sich keiner der Männer mit einem scharfen oder spitzen Werkzeug das Leben zu nehmen versucht. An einer Schnur hängt ein Käfig von einem Stahlträger, in dem ein gelber Kanarienvogel sitzt, der sich erst auf den zweiten Blick als ausgestopft entpuppt.
Ich folge Sam zu einer Werkbank und unterschreibe die Petition mit Wilbur McDermott. Das Blatt ist fleckig und zerknittert, meine Unterschrift die vierte. Sam führt mich zu der Bank und wartet auf mein Urteil. Wir stehen da wie zwei Galeriebesucher vor einer Skulptur. Die Bank ist aus schwarzem Gusseisen und grün lasiertem Holz. Vier Leute haben auf ihr Platz. Ich könnte mich darauf ausstrecken, ein normal gewachsener Mann müsste dabei die Füße auf die Armlehne legen. Die Maserung ist durch die Lasur zu erkennen, das gefällt mir.
»Die Eisenteile sind vom Schrottplatz«, sagt Sam.
Ich nicke. Vermutlich erwartet er, dass ich Interesse für diese Teile zeige, also gehe ich in die Hocke und sehe sie mir genauer an. Die Füße sind Tierpfoten nachempfunden, von denen Ranken mit Blüten und Blättern emporwachsen.
»Schön«, sage ich. Mehr fällt mir zu einer Gartenbank nicht ein.
Eine Weile stehen wir noch da, dann tragen Sam und ich die Bank nach draußen und stellen sie auf der Wiese unter ein paar Bäume. Sam ist erst zufrieden, nachdem wir sie dreimal verschoben haben. Lefty und der Alte kommen mit ihren Broten und sehen sich ihr Werk zufrieden kauend an. Der Alte stellt sich mir als Mitch vor. Er hat weißes Haar und so blaue Augen, dass ich den Blick senke, als wäre die Farbe ein Makel, eine Entstellung. Er gibt mir die Hand, an der Mayonnaise klebt. Lefty schlägt vor, ein paar Steinplatten unter die Bank zu legen, aber Sam will davon nichts wissen. Er poliert die Bank mit einem Tuch und klatscht in die Hände, worauf ein paar Vögel aus den Bäumen flattern.
Zu viert stehen wir da und betrachten stumm die Bank. Als der Leiter der Tischlerei nach Sam ruft, gehen die drei zurück. Ich sage ihnen, ich wolle noch eine Weile hier draußen bleiben, und setze mich hin. Ichüberlege, ob ich Sam hinterherrufen soll, die Bank sei bequem, aber dann lasse ich es. Der Himmel ist leergeräumt. Ein unregelmäßiges Muster aus farblosen Schlieren krümmt sich über mir, eine schmutzige Glaskuppel. Zu meinen Füßen laufen Käfer, polierte schwarze Knöpfe, die durch die Grashalme kollern. Ich frage mich, ob ich das alles hier vermissen werde, und weiß die Antwort nicht. Vermeer hat mir Ratschläge gegeben, wie ich mein Leben in den Griff kriege, gutgemeinte Tipps, etwas mit mir anzufangen. Ich habe geduldig zugehört und ihm Floskeln über Jugend und offene Türen verziehen, habe genickt und mir sogar die Broschüre eingesteckt, die er mir gab. Darin steht, wie man es anstellt, draußen wieder Fuß zu fassen und mit seinen Problemen umzugehen. Auf der letzten Seite sind ein paar Psychologen, Therapeuten und Einrichtungen aufgelistet, an die man sich wenden kann, sollte man trotz Broschüre nicht weiterwissen.
Ich lege mich auf die Bank. Ich denke daran, wie ich morgen mit meinem Koffer hier rausgehe, und mir fällt ein, dass ich keine Ahnung habe, wo ich eigentlich bin. Melvin hat mal einen Ort namens Liberty erwähnt, irgendwo nordwestlich von New York, aber für mich klang das wie ein Kaff in Namibia. Das Hotel war in Brooklyn, das weiß ich noch. Wenn ich mir vorstelle, dorthin zurückzugehen, wird mir ziemlich flau. Aber ich bilde mir ein, die Absteige würde mir helfen, mich daran zu erinnern, was ich am Meer verloren hatte. Ich weiß, dass einem Dinge wieder einfallen, wenn man bestimmte Orte von früher aufsucht. Man betritt eine Stadt, ein Haus, einen Raum, und die Erinnerung blendet einen. Man schließt die Augen und sieht Bilder, es ist wie die Flashbacks in Filmen, kurze Szenen, die auf der Leinwand des Unterbewusstseins leuchten.
Ich weiß, wovon ich rede, mein Leben ist ein Flickenteppich aus Erinnerungsfetzen. Alles, was ich bisher getan habe, hatte mit meiner Vergangenheit zu tun. Ich habe sie gesucht, habe sie verdrängt, habe darin gelebt und sie verleugnet, habe mich mit ihr getröstet und versöhnt und habe sie verflucht. Manchmal kommt es mir vor, als würde ich für jeden Schritt, den
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