Nach Hause schwimmen
Ewigkeit. Ich schreibe nicht, dass ich sie liebe, das wäre falsch. Falsch, weil ich nicht weiß, ob es stimmt, und weil es nichts bringen würde. Ich haue morgen hier ab und habe nicht vor, noch einmal vorbeizuschauen. Der Brief besteht aus durchgestrichenen Wörtern, aus Umformulierungen und Präzisierungen. Er sagt etwas, das ich loswerden will, ohne mich schutzlos zu machen. Er ist nicht kalt und nicht gefühlsduselig, weder leidenschaftlich noch ganz ohne Regung. Er ist sachlich, ein nüchterner Abschied.
Ich schreibe die Sätze in sauberer Schrift auf ein neues Blatt, falte es zusammen und stecke es in einen Umschlag, auf den ich ihren Namen setze. Den Umschlag lege ich unter mein Kopfkissen. Es gibt eine Regel hier drin, die besagt, dass dein Kopfkissen tabu ist, und was darunter ist, ebenfalls. Zumindest hat Melvin mir das erzählt, aber vielleicht hat er das auch bloß getan, damit ich seine Pantoffeln in Ruhe lasse.
Den Rest des Morgens sehe ich Melvin und Sydney beim Damespielen zu. Melvin erzählt, Stan sei von der Krankenstation in die Beobachtungsstation verlegt worden. Ich bitte ihn, Grüße von mir auszurichten. Melvin sieht mich an. Vielleicht weiß er, dass ich gehe. Er lächelt und nickt und stellt seine Steine neu auf. Sydney gewinnt jede Partie, aber das scheint Melvin nicht zu stören. Die Mütze auf seinem Kopf heißt Kippah oder auch Schabbes, ich habe im Lexikon nachgeschlagen.
Am Nachmittag gehe ich noch einmal durch die ganze Abteilung. Ich erzähle keinem, dass ich morgen verschwinden werde, aber ich schaue bei allen rein und halte einen kurzen Schwatz, sofern es der Zustand der Männer erlaubt. Rodrigo, zum Beispiel, ist heute noch schlechter gelaunt als üblich. Er wirft mir irgendetwas Spanisches an den Kopf und verzieht sich in die Raucherkabine. Ho freut sich über das Interesse, das ich für sein Dorf aus Streichholzhäusern vortäusche. Roger drückt mir einen weiteren Ordner in die Hand, und ich verspreche, ihn zu lesen. Ich spiele eine Runde Billard, oder was immer es ist, mit Raymond und Elroy. Sie erzählen mir, dass Edward Kanonenfutter Carson nicht mehr hierist. Seine Eltern haben ihn am Morgen abgeholt. Ich lasse die Kugel an einem Keksstapel vorbeirollen und treffe die Untertasse, was mich zum Sieger der Partie macht. Zwei Neue werden mir vorgestellt, Lester und Fred, beide um die fünfzig, schüchtern und wortkarg. Sie wissen, dass wir wissen, weshalb sie hier sind. Es ist ihnen peinlich, und sie stehen da wie Schuljungen, die beim Onanieren erwischt wurden.
Ich frage mich, wo all diese Männer herkommen, ob sie im ganzen Land eingesammelt und hierher verfrachtet werden, und warum es ihnen nicht gelungen ist, sich umzubringen, oder ob sie es darauf angelegt haben, gefunden und gerettet zu werden. Lester und Fred sahen jedenfalls ziemlich unversehrt aus und nicht wie Typen, die den Mumm haben, sich vor eine Lokomotive zu werfen oder eine Kugel in den Kopf zu jagen. Vielleicht haben sie an ihrem Geburtstag Tabletten geschluckt oder auf einem öffentlichen Parkplatz die Abgase ihrer Autos eingeatmet, oder sie standen auf dem Fenstersims ihres Büros im siebzehnten Stock und warteten auf den Psychologen, der sie zum Weiterleben überreden würde. Vielleicht wollten sie sich tatsächlich das Leben nehmen und hatten Glück. Oder Pech.
Elroy schlägt eine weitere Partie Dadaistenpool vor, aber Sam kommt über den Flur und reißt mich aus diesem Stelldichein der Verlorenen und beinahe Wiedergefundenen und zieht mich am Arm fort. Obwohl ich nicht unglücklich bin über seine Fluchthilfe, will ich wissen, was los ist. Er sagt, jetzt, wo ich wieder alle Tassen im Schrank habe, könne ich endlich seine Petition gegen die verdammten Ziegen unterschreiben. Außerdem müsse ich ihm in der Tischlerei helfen.
»Die erste Bank ist fertig«, sagt er. »Und du darfst helfen, sie rauszutragen.« Er lässt meinen Arm los, und wir gehen nebeneinander die Treppe hinunter.
Erst will ich fragen, warum er ausgerechnet mir diese Ehre zuteil werden lässt, aber dann ist es mir egal. Ich bin auf Abschiedstour, also verbringe ich ein paar Minuten mit Sam und tue ihm einen Gefallen. Wir betreten die Halle, in der es nach Holz und Harz und Lösungsmitteln riecht. Lefty und der alte Mann, dessen Namen ich noch immer nicht kenne, sitzen auf der fertigen Bank und essen Brote. Als sie Sam sehen, stehen sie auf und wischen hastig ein paar Krümel von der Sitzfläche.
Ein großer hagerer Mann mit
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