Nach Hause schwimmen
und irgendwann zu Musik.
Manchmal saßen Matthew und Wilbur einen ganzen Nachmittag lang da und hörten Schallplatten, oft dieselbe immer und immer wieder. Oder Wilbur lernte Notenlesen. Matthew erklärte ihm eines Tages das Grundprinzip, danach blieb dem alten Mann nur noch Staunen. War Wilburs Gehirn in der Schule ein Schwamm, der sich wie von selbst mit Wissen vollsog, dann war es jetzt ein riesiger Planet, der fiebrig glühend kreiste und jede Information anzog und seiner Masse einverleibte.
In seinem Zimmer schrieb Wilbur Sonaten ab, ganze Symphonien. Vor dem Einschlafen summte er das am Tag Gehörte, nach dem Aufwachen pfiff er, was er später spielen würde. Pauline fand, ihr Pflegesohnübertreibe es mit der Begeisterung für Musik ein wenig, aber sie kannte Matthew Fitzgerald, und obwohl er kein Katholik, ja nicht einmal Protestant war, teilte sie die Ansicht der Leute im Ort, er sei ein anständiger Mann.
Als Wilbur immer öfter bis zum Abend verschwunden war, hatte sie ihn zur Rede gestellt, und Wilbur hatte ihr von den Cellolektionen erzählt. Wenig später waren Pauline und Henry zu Gast bei Matthew und überzeugten sich davon, dass der alte Mann dem Jungen beibrachte, ein Instrument zu spielen. Es gab Tee und Gebäck, und Wilbur setzte ein paar Töne aneinander, die entfernt an eine Melodie erinnerten. Matthew trug seinen besten Anzug und versprach den Conways beim Abschied, bis Weihnachten könne Wilbur auf dem Cello Stille Nacht spielen. Pauline war von dieser Aussicht begeistert und malte sich bereits aus, wie der dank ihres Einflusses wohlgeratene Ziehsohn beim Gottesdienst die Gemeinde in Beifallsstürme ausbrechen ließ.
Henry meinte, der magere Junge solle sich neben der Musik auch dem Sport widmen und Gaelic Football oder Hurling spielen, aber damit fand er weder bei Wilbur noch seiner Frau Gehör. Wilbur hasste jede Form von Sport oder sogenannten Spielen, bei denen es um Körperkraft und deren brutalen Einsatz ging, und seit Fintan Taggart sein Turnlehrer war, hatte sich sein Widerwillen noch verstärkt. Pauline teilte Wilburs Abscheu gegenüber roher, als Wettkampf getarnter Gewalt, doch stieß sie sich vielmehr an der Tatsache, dass die muskulösen, verschwitzten Leiber der Burschen bei den jungen Zuschauerinnen unzüchtige Gedanken auslösten. Zudem gefiel ihr die Vorstellung, Wilbur im Bekanntenkreis bald als Hausmusikanten ankündigen zu können, ausnehmend gut, und sie wollte nicht, dass dieser zukünftigen Attraktion ein zum Cellospiel benötigter Finger gebrochen wurde.
Ein halbes Jahr später spielte Wilbur in der Kirche Stille Nacht , wie Matthew Fitzgerald es versprochen hatte, und alle Anwesenden waren sich darin einig, dass Gott mit diesem talentierten Jungen Großes vorhatte.
7
Zwei Tage vor dem Besuch der Delegation hat Vermeer mich zu sich gebeten. Er ist mit mir den Ablauf des Treffens durchgegangen und hat mich auf Fragen vorbereitet, die aller Wahrscheinlichkeit nach von den Abgeordneten gestellt werden. Er bat mich, ehrlich zu sein und nicht etwa einen Lobgesang auf die Offene Abteilung oder gar die gesamte Institution anzustimmen. Die Männer und Frauen des Ausschusses seien Experten und würden sofort erkennen, wenn ihnen etwas vorgemacht würde. Ich hörte Vermeer zu und gab ein paar Probeantworten auf Probefragen. Er meinte, ich solle keine wissenschaftlichen Ausdrücke verwenden und nicht erwähnen, dass es mir gelungen war, einen Spiegel zu zertrümmern und mich in den Besitz eines Bademantelgürtels zu bringen.
Ich versprach es ihm, nachdem ich den Gedanken, ihm alles zu gestehen, verworfen hatte. Vermeer war beinahe rührend in seinem Stolz auf uns beide. Auf mich, weil ich bald den Schritt zurück in die Gesellschaft schaffen würde, auf sich selbst, weil er mir den Raum und die Ruhe gegeben hatte, um diesen Schritt vorzubereiten. Ich wollte ihn nicht enttäuschen, also schwieg ich. Vermeer bedankte sich und gab mir einen Scheck über eintausend Dollar, die Hälfte der vereinbarten Summe, meines Startkapitals für draußen. Er verstand es als Vorschuss und Vertrauensbeweis, vermutlich auch als Motivationshilfe. Ich nahm den Scheck, wir schüttelten uns die Hände, und ich ging zurück in mein Zimmer.
Ich habe Aimee einen Brief geschrieben. Ich werde sie nicht wiedersehen und will nicht, dass sie glaubt, ich würde sie hassen. Ich habe sie ein paar Tage lang gehasst, aber das ist vorbei. Die Worte kommen nicht von alleine, an jedem Satz sitze ich eine
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