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Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Grauenvolles passieren? Ich muß wohl furchtbar blau gewesen sein.«
    »Ja, Sie waren ziemlich - blau«, sagte sie, »eigentlich sehr blau. Sie baten um Verzeihung -«
    »Dann muß ich doch einen nüchternen Augenblick gehabt haben«, brummte er grimmig. »Was ist oder wie war Ihr Name?« »Oktober Jones - greulich, nicht wahr?«
    »Fürchterlich!« stöhnte er. »Heiliger Bimbam, was für ein Name!«
    Hier machte sie eine beleidigte Miene. »Ich kann daran nichts Fürchterliches finden«, sagte sie kühl. »Er ist nur ungewöhnlich.« »Ungewöhnlich! Wie zum Henker, soll ich Sie nennen?«
    »Sie dürfen mich Oktober nennen«, antwortete sie.
    »Das tu ich auf keinen Fall. - So ein Lümmel!«
    Es wunderte sie, wie sie sofort erriet, daß sich sein letzter Satz auf Sam bezog.
    »Ich sehe nicht ein, worüber Sie sich zu beklagen hätten«, sagte sie, doch etwas verschnupft.
    Seine ernsten Augen blickten in die ihren.
    »Sie waren doch nüchtern«, sagte er bedeutungsvoll. »Ich war unfähig, Widerstand zu leisten.«
    »Oh«, sagte Oktober entrüstet und wollte aufstehen. Er zwang sie wieder nieder.
    »Wir wollen unsere Ehe nicht mit einem Streit beginnen«, meinte er düster. »Nimm lieber noch ein Sandwich!«
    Sie nahm das Sandwich, denn sie hatte Hunger.
    »Wir werden das ganze Futter, das noch übrig ist, einpacken«, schlug er vor. »Ich glaube nicht, daß wir so fürstliche Mahlzeiten in der nächsten Zeit sehr häufig ergattern werden.«
    Er blickte zum Himmel.
    »Sieben Uhr - oder schon zwischen sieben und acht. Wir müssen schnell zurück nach Littleberg und dann nach Osten wandern - es gibt genug Wald in dieser Gegend, Gott sei Dank. Mit etwas Dusel finden wir vor Einbruch der Dunkelheit einen Ort, wo wir schlafen können.«
    »Weshalb verfolgt dich der rotbärtige Mann? Hast du ein Verbrechen begangen?«
    Er lächelte vergnügt. »Hab ich ein Verbrechen begangen? Ja, ich hab’ einen Einbruch in eine Fabrik verübt. Komischen Namen hat das Nest - nennt sich Schenectady. Das ist mein Hauptverbrechen. Der Rest stört mich nicht. - Der kleine Herr, der mit Messern wirft, geht mir etwas auf die Nerven; er ist wirklich ein Wundertier. Halte ihn für einen Südamerikaner - Leonardo Delamontez. Und der Kerl kann rennen! Sollte man nicht meinen, wenn man ihn ansieht. Er ist sehr dick und kurz. Meiner Meinung nach könnte er auf keinem Pferd sitzen bleiben. Aber ein wirklicher Künstler.«
    Er sprach sachlich, fast bewundernd, von dem Messerwerfer. Oktober hatte das Gefühl, als säßen sie zusammen in einer Arena und sähen Leonardo bei den Olympischen Spielen zu.
    »Du bist doch kein wirklicher Strolch, wie?« fragte sie.
    »Oh, doch! So wahr ich hier sitze«, antwortete er. »Ich bin ein Strolch, aber der Staat New York ist kein idealer Aufenthalt für unsereinen. Die Wüste Gobi, das ist wirkliches Strolchen! Und die unentdeckten Länder bei Urzra. Das ist ein interessantes Strolchen!«
    Sie hatte eine vage Idee, daß die Wüste Gobi irgendwo in China war, aber von Urzra hatte sie keine Ahnung.
    »Mongolei - komische Gegend, voll von buddhistischen Priestern und Hunden, die einen anfallen und nichts von einem übriglassen als Uhr und Uhrkette.«
    »Aber« - sie bestand darauf - »du strolchst doch zum Vergnügen. Es ist so eine Art Wanderromantik, nicht wahr? Du strolchst doch nicht, weil du kein Geld hast oder weil du nicht arbeiten willst?«
    »Ich habe fünfzig Cent«, sagte er, »und im Augenblick strolche ich, um meine Haut zu retten.«
    »Weshalb denn?«
    Er schüttelte den Kopf. »Das möchte ich dir lieber nicht sagen«, erwiderte er, »wenn ich es dir dennoch sagte, würdest du nur erwidern: ›So was ist doch nicht möglich!‹«
    »Aber worum handelt es sich denn?«
    Er stand auf, nahm ihre Tasse weg und korkte die Thermosflasche wieder zu.
    »Mittelalterliche Dinge. Dinge, wie man sie im Rhonetal oder am Rheinufer aus alten Zeiten hört. Die Geschichte Frankreichs ist voll solcher Sachen und auch die Englands. Hast du je von der Königin Elfrieda gehört? Fabelhafte Dame! Solche Dinge finde ich hier im Staat New York; wahnsinnige, unmögliche Dinge, die es gar nicht geben kann. Du gehörst ja auch zu diesen Dingen! Gütiger Himmel!«
    Er schüttelte den Kopf, als er sie ansah.
    »Ich muß wirklich blau gewesen sein!«
    »Betrunken«, sagte sie. »Sie sind beinahe beleidigend.«
    »Bin ich das?« Er war sofort reueerfüllt. »Vielleicht stimmt das, aber irgendwie hab’ ich das Gefühl, daß ich dir

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