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Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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bis er hinter den Büschen, die die Quelle verbargen, verschwand.
    »Robin Leslie - Mrs. Robin Leslie.« Und die Situation kam ihr nicht einmal lächerlich vor. Sie war ein Teil seines Lebens. ›Rotbart‹ war ihr Todfeind. Sie hatte sich über die gemeinschaftliche Gefahr gefreut. Oktober analysierte nie ihre eigenen Gefühle. Sie konnte alles andere zerpflücken, menschliche Eigenarten auf eine Grundformel bringen, aber sie empfand nie den Drang, ihre eigene Seele zu erforschen. Der Mann mit dem karierten Flicken in der Hose war eine Tatsache - Mr. Robin Leslie. Der einzig mögliche Unterschied zwischen ihm und anderen Männern konnte nur in seinem Benehmen liegen. Bis jetzt war es vollkommen befriedigend gewesen. Er hatte ihr das Bett mit den Sprungfedern überlassen - sie sah tatsächlich wie eine tätowierte Dame aus, was sie bei einer hastigen unvollständigen Untersuchung festgestellt hatte -, er hatte ihr genau im richtigen Augenblick befohlen, ihre Schuhe anzuziehen. An seiner Stelle hätte sie das gleiche getan. Er chauffierte auffallend gut. Wahrscheinlich war das nicht das erstemal, daß er ein Auto gestohlen hatte. Sie empfand den karierten Flicken nicht als lächerlich, ebensowenig den ärmellosen Rock. Wahrscheinlich waren seine Hosen mit einer Schnur befestigt, und sie hatte wohl bisher nur die alte Konservenbüchse übersehen, die alle Strolche bekanntlich als Trinknapf bei sich tragen.
    Er kam erstaunlich sauber und gesund aussehend zurück. Als er den Korb öffnete und ihr ein Sandwich anbot, merkte sie, daß er sogar seine Nägel tadellos gereinigt hatte. Aber er zitterte ein wenig, und in den Augen sah man rote Äderchen. Es waren graue Augen, aber sie waren zweifellos blutunterlaufen. - Eine Thermosflasche befand sich in dem Korb. Der Kaffee dampfte, als er ihn in eine der Tassen goß, die er in der vom Himmel gesandten ›Kantine‹ gefunden hatte.
    »Und nun«, sagte er, als er sich mit gekreuzten Beinen setzte, »wollen wir alles aufklären! Ich weiß, daß Sie hier sind, ich weiß, daß Sie mit in dem Haus des Schweden waren - nebenbei, er hat sich tatsächlich an dem Haken aufgehängt, aber ich hielt es für besser zu lügen und ich weiß, daß Sie auf geheimnisvolle Weise mit mir verbunden sind. Aber ich möchte gerne wissen, warum und wie?«
    Hierauf setzte sie sich plötzlich aufrecht. Scherzte er? Scheinbar nicht. Er schlürfte aus seiner Tasse und blickte sie aus entzündeten Augen an. »Ich bin Ihre Frau«, sagte sie.
    Er verschluckte sich, hustete, und setzte die Tasse hin.
    »Wie bitte?«
    »Ich bin Ihre Frau«, wiederholte sie, und der Blick des sich steigernden Entsetzens, der sein Gesicht erstarren ließ, brachte sie zur Überzeugung, daß er sich nicht genau an das, was in Littleberg geschehen war, erinnerte.
    »Meine Frau, sagen Sie? Das ist doch nicht Ihr Ernst!«
    Sie nickte. »Ganz und gar mein Ernst. Entsinnen Sie sich nicht?«
    »Diese Kerle! Sie kamen im Wald auf mich zu - alle so besoffen - so betrunken als möglich. Ich hatte keine Ahnung, was sie mit mir vorhatten - in Wirklichkeit erwartete ich etwas ganz anderes. Einer von ihnen, ein junger Herr, der ununterbrochen von sich selbst redete
    Sie erkannte sofort Sam.
    »- forderte mich zum Trinken auf, und gerade in diesem Augenblick hatte ich keine Lust zu trinken. Ich kann mich nicht genau an die Umstände meiner Niederlage erinnern. Zwei von ihnen knieten auf meiner Brust - ein Kerl steckte mir den Hals, einer Flasche in den Mund. Ich mußte trinken oder ersticken. Ich trank. Bin ich zu Ihnen ins Haus gekommen?«
    Sie erzählte ihm alles ganz sachlich, und während sie in ihrer Erzählung fortfuhr, unterbrach er sie von Zeit zu Zeit mit einem erstaunten »Ach, du mein Gott!«
    »Ist das Ihr Ernst? Ich habe Sie geheiratet - oder besser gesagt, Sie haben mich geheiratet?«
    Sie wiederholte, daß es ihr völliger Ernst sei.
    Robin bedeckte sein Gesicht mit den Händen und stöhnte. »Unbegreiflich!«
    Sie fühlte sich eigentlich gar nicht beleidigt.
    »Heißen Sie Mr. Leslie …?«
    »Mr. was?« fragte er mit weitaufgerissenen Augen.
    »Das ist der Name, den Sie bei der Trauung angaben: Mr. Robin Leslie. - Vielleicht haben Sie das auch geträumt?«
    Er schüttelte bedrückt den Kopf. »Nein, das stimmt schon, so heiße ich. Das sind wenigstens meine Vornamen: Ich heiße Robert Leslie Beausere … Nein, es ist nicht Französisch, war nie Französisch«, sagte er ungeduldig auf ihre Frage hin. »Wie kann einem etwas so

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