Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
nichts ahnt, kein Wort - keine Silbe. Möglich natürlich, daß Farmarbeiter uns gesehen haben … In diesem Falle würde man uns vielleicht hier suchen. - Meinst du, daß du schlafen kannst?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nun, vielleicht später. Du bist ja ganz aufgeregt von diesem dummen Zeitungsklatsch. Tut mir leid, daß ich sie mitgebracht habe - ich dachte, es würde dich amüsieren.«
    »Amüsieren!« rief sie entrüstet.
    Mit dem fortschreitenden Nachmittag fing sie an, sich müde zu fühlen und schlief eine Stunde lang. Sie erwachte und sah ihn flach auf dem Bauch am Rande der Mulde liegen. Er hatte die Farne die die Aussicht behinderten, auseinandergebogen, und als er sie ansah, war ihr klar, daß ihr Erwachen nicht zufällig war.
    »Ich sah eine Frau durch den Wald gehen«,, sagte er leise. »In einiger Entfernung allerdings. Wahrscheinlich gehört sie zur Farm. Ich habe gedacht, es ist besser, ich gebe dir einen Fußtritt.«
    »Hast du mir einen Fußtritt gegeben?« fragte sie indigniert. »Wir sind ja verheiratet«, antwortete er. »Ich glaube, das ist in unseren Kreisen so üblich.«
    Eine halbe Stunde verging.
    »Ich bin ein Rohling gewesen«, meinte er dann, ohne den Kopf zu wenden. »Nein, nicht, weil ich dir den Fußtritt gegeben habe. Der Whisky war das, was Sam ›mächtig‹ nennen würde. Ich bin immer noch ein bißchen verwirrt, aber ich fange wieder an zu denken. Sobald diese Frau weg ist, führe ich dich zur Farm, mindestens zur Gutsstraße. Du findest dann schon deinen Weg ins Haus und telefonierst. Ich möchte dich bitten, daß du über mich lügst. Sag, du hättest mich auf dem Weg nach Ogdens verlassen - ganz gleich, wo.«
    »Dich verlassen?« Sie war bestürzt.
    »Selbstverständlich - du kannst doch nicht weiter so im Wald herumschlafen … Gejagt und weiß Gott was alles. Mein Entschluß ist teilweise ganz egoistisch, es wird mir viel leichterfallen, allein zu entkommen, und du kannst allen Leuten sagen, daß du eigentlich gar nicht tot bist, daß ich für einen Strolch sogar letzten Endes ganz anständig zu dir war. Heute früh habe ich gescherzt, als ich sagte, du könntest nicht zurückgehen, weil du tot bist, aber ihr Amerikaner habt ja nicht den geringsten Sinn für Humor.«
    Sie lag jetzt auf dem Bauch, das Kinn in die Hände gestützt. »Es ist vielleicht ein bißchen verspätet, aber jetzt lache ich«, sagte sie ruhig. »Wie komisch!«
    »Was denn?«
    Er wandte ihr den Kopf zu und runzelte die Stirn. Die Schwellung in seinem Gesicht war zurückgegangen, nur ein roter Wulst zog sich noch von seinem Auge herunter und verschwand in den Stoppeln auf seinem Kinn.
    »Erwartest du wirklich, daß ich zur Farm gehe und sage: ›Bitte, ich bin die gestohlene Braut des Herrn aus der Littleberger Gesellschaft?‹ Hast du denn gar keine Phantasie?«
    Er kratzte seine Nase und runzelte finster die Stirn.
    »Doch, habe ich - aber ich möchte hören, was deine Phantasie jetzt eben ausheckt.«
    Sie lächelte ihn schnell an. Er hatte sie noch nie lächeln sehen, und dieses Erlebnis benahm ihm den Atem.
    »Das werde ich dir sagen.« Sie nickte. »Die Dame des Hauses kommt mir entgegen. Ich erzähle ihr meine traurige Geschichte. Sie sieht mich an … mit einem seltsamen Blick. Weißt du, was ich meine? Bloß so… mit einem seltsamen Blick. Siehst du nicht, wie ihre Augenbrauen in die Höhe gehen, hörst du nicht, wie sie sagt: ›Armes Kind‹ - Dann telefoniert sie der Polizei oder vielleicht auch Mr. Elmer, und dann sucht sie ihre treueste Freundin auf, die vielleicht gerade bei ihr wohnt, schließt die Türen, so daß die Dienstboten nichts hören, und erzählt ihr die Geschichte. Darauf sehen sie einander an, und die eine sagt: ›Na, was meinst du denn?‹, und die andere sagt: ›Nun immerhin - sie sind ja verheiratet‹, und dann -«
    »Ach ja! Ja!« Robin sprach schnell. Er war wirklich beschämt. »Selbstverständlich … Maul halten!« Diese Unhöflichkeit zischte er ihr zu. »Die Frau!«
    Oktober folgte seinem Beispiel und blickte durch die zurückgebogenen Sträucher.
    Die Dame war in der Nähe. Sie schritt energisch aus und bediente sich dabei eines schwarzen Ebenholzspazierstockes. Sie war ganz in Schwarz gekleidet und trug über dem grauen Kopf eine spanische Mantilla. Ihre Dürrheit ließ ihre große Gestalt noch größer erscheinen. Als sie über einen sonnigen Fleck ging, glitzerten ihre schlenkernden Hände verwirrend. Oktober sah dies, obgleich sie eigentlich erschüttert

Weitere Kostenlose Bücher