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Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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gegenüber sogar beleidigend sein darf.«
    Sie verstand, was er sagen wollte, und war eigentlich erfreut.

7
    Der Weg, den sie einschlugen, war schwierig. Meile auf Meile mußten sie bergauf und bergab klettern. Oktober taten die Beine weh, und dabei trug sie nichts. Robin Leslie Beausere war mit der Decke und dem Futter belastet. Trotzdem ließ er sie nicht einmal ihren eigenen Mantel tragen.
    Ihre Unterhaltung war spärlich. Er gab zu, daß er die Gegend gar nicht kannte. Sie war hier ebenso unbekannt. Für sie war der Staat New York ein fremdes Gelände. Wenn es Virginia oder Ohio gewesen wäre …
    Sie kannte weder die Namen noch die Lage der einzelnen Städte. Zweimal war sie auf der Insel Manhattan gewesen, aber der Schlafwagen eines Expreßzuges ist nicht der richtige Ort, um Topographie zu studieren. Sie kannte Ogdens, weil sie den Sankt-Lawrence-Fluß entlang gereist war und in dem Städchen Besuche gemacht hatte. Sie war auch ziemlich vertraut mit Littleberg und seiner Umgebung, aber sie glaubte, sie wären viele Kilometer von Littleberg entfernt - etwa sechzig nahm sie an. Er vermutete, noch weiter.
    Elfrieda? Wer war die Königin Elfrieda? Oktober hatte nur eine ganz vage Bekanntschaft mit den englischen Monarchen gemacht. Elfrieda - Alfred … Irgend jemand aus der Zeit der alten Angelsachsenkönige. Was hatten die wohl mit einem Strolch im Staat New York zu tun, der ein Vermögen von fünfzig Cent sein eigen nannte?
    Das ganze war verwirrend und bizarr. Sie konnte ihre Augen von dem karierten Flicken nicht abwenden. Einmal hatte sie aus einer Laune heraus die verschiedenen Abarten der Tartans studiert. Dieser hier war nicht Steward - Steward ist rot. Es war auch nicht Cameron - das hatte eine gelbliche Linie drin - oder war das Gordon?
    »Campbell!« rief sie plötzlich triumphierend.
    »Wie?« Er drehte sich plötzlich erschrocken um.
    »Der Flicken auf deiner Hose. Es ist Campbell Tartan.« »Wirklich?« Er wollte den Kopf umdrehen, um nachzusehen. »Ich bin nicht sehr eingenommen von Campbell. Aber es stimmt - wie unerhört intelligent von dir! Die Angyll und Sutherland-Hochländer tragen Kilts aus diesem Muster. Gutes Regiment - ganz aus dem Innern Schottlands rekrutiert.«
    Als er seinen Rockschoß aufhob, um den Flicken zu betrachten, sah sie den Griff einer Pistole aus seiner Tasche hervorlugen. Sie hatte wohl angenommen, daß er eine Pistole bei sich trug, aber hatte es ganz vergessen.
    »Ist das nicht sehr gefährlich, eine Pistole im Staat New York bei sich zu tragen?« fragte sie. »Ich will … sagen … in deiner Lage?«
    »Viel gefährlicher, es nicht zu tun - jetzt ganz besonders.«
    Er ging wieder weiter und sprach mit ihr über die Schulter. »Wahrscheinlich würde es dir nicht die geringsten Schwierigkeiten bereiten, dich von mir scheiden zu lassen.«
    »Ich will mich aber noch nicht scheiden lassen«, sagte sie ruhig, und sie hörte ihn wieder stöhnen. »Du bist wirklich nicht sehr höflich«, fügte sie hinzu.
    »Ich weiß. Ich weiß, bedaure unendlich. - Was ist das beste Mittel gegen eine Sumachvergiftung?«
    »Tut es sehr weh?« Ihre Stimme war voller Mitgefühl.
    »Ein bißchen - nicht der Rede wert. Es ist nur etwas störend, wenn es heiß ist. Halt!«
    Er blieb plötzlich stehen. Vor ihnen hörten sie den Schall einer Holzfälleraxt und, während sie stillstanden, das Rauschen und Aufprallen der Baumstämme.
    Sie gingen über den nassen Boden einer kleinen Lichtung. Für den Fall einer Gefahr gab es genug Deckung, denn es wuchsen dichte Gruppen Lorbeerbüsche und farnähnlicher Sumach. Die Wände der kleinen Schlucht erhoben sich steil. Als er aufwärts blickte, sah er zu seiner Beunruhigung eine kleine Hütte oben am Rand des Abhangs. Aber keine Spur von einem Menschen oder von dem sonst unvermeidlichen Hund war zu sehen.
    »Wir wollen es mit der anderen Seite versuchen«, schlug er vor. »Ich fürchte, daß die Holzfäller auf dieser Seite der Schlucht sind.«
    Er ging voraus. Sie kamen nur qualvoll langsam vorwärts. Nach einer halben Stunde zog er sich mühsam an einem hochragenden Felsen empor. Vor ihnen lag ein schöner Ausblick: Bäume - Fichten, Tannen, Linden - ein undurchdringlicher Märchenwald, der eigentlich in einen Traum gehörte.
    Nach vorsichtiger Umschau deutete er ihr an, ihm zu folgen. Sie tauchten in das kühle Zwielicht hinein. Irgendein Jagdgehege, dachte er. Eine große Anzahl Vögel stelzten umher, ein Fasan erhob sich vor seinen Füßen und schwirrte

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