Nach Norden, Strolch
sagte sie. »Ich weiß nicht, was ich den Leuten sagen soll - keine Ahnung!«
Sie reichte Oktober mit einer Bewegung der Mißbilligung eine Tasse. Oktober schlürfte nachdenklich die warme Flüssigkeit. Vielleicht stimmte es nicht, daß eine Wache am Eisenbahnübergang stand. ›Rotbart‹ kam es auf eine Lüge mehr oder weniger sicher nicht an, und Robin war vorsichtig … Er konnte in der Dunkelheit sehen - Dinge, die ihr unsichtbar blieben … Also hatte der Schwede sich doch an dem Haken aufgehängt. Das war eigentlich keine Ursache zum Lächeln, aber sie lächelte doch, und Mrs. Elmer, die jeden Ausdruck Oktobers beobachtete, spürte, wie die Wut in ihr kochte.
»Freut mich, daß du grinsen kannst, Oktober, aber Mr. Elmer und ich -«
»Hab’ ich gegrinst?« Sie schien fast reumütig. Mrs. Elmer hatte sie noch nie so gesehen. »Tut mir leid. Ich dachte … an etwas ganz anderes. Ich muß wohl hierbleiben? Könnte ich nicht im ›Berghaus‹ ein Zimmer nehmen?«
Dies war ein Vorschlag, über den Mr. Elmer sehr bestimmte Ansichten hatte.
»›Berghaus?‹ Und wer bezahlt dir denn das Appartement im ›Berghaus‹, Oktober? Du hast ja kein Geld! ›Berghaus!‹«
Es war das erstemal, daß ihre Geldlosigkeit erwähnt wurde. In mancher Hinsicht war dies die belehrendste Äußerung, die Andrew Elmer je gemacht hatte.
»Ach so, ich habe kein Geld, ist das richtig?« Sie hätte beinahe ,Lenny‘ hinzugefügt.
»Stimmt«, sagte Mr. Elmer und spielte unbewußt die Rolle des kleinen, dicken, messerwerfenden Mannes.
Es klopfte an der Tür. Die Eheleute wechselten Blicke.
»Wenn es Sam ist, sag’ ihm, er soll morgen früh wiederkommen«, knurrte Mr. Elmer. .
Sie verschwand. Die Tür des Salons war dick genug, alle Geräusche, die leiser als ein Brüllen waren, fernzuhalten. Oktober schaukelte, ihr Gesicht auf die Handfläche gestützt, hin und her. Über der Stuhllehne hing ihr zerrissener Mantel. Es machte ihr Freude, ihn anzusehen. Fast jeder Riß und jeder Flecken erinnerte sie an ein Ereignis ihres Abenteuers.
Die Tür ging langsam auf. Mrs. Elmer trat ein. Die Art ihres Lächelns zeigte die gesellschaftliche Wichtigkeit des Besuchers an.
»Bitte, treten Sie näher, mein Herr.« Der Herr folgte ihr auf den Fersen. Ein stattlicher Mann. Sein Hemd war weiß wie Schnee, seine schwarze Krawatte ganz korrekt. Seine Hosen waren oben vielleicht um ein paar Zentimeter zu kurz, und ein Streifen vom Hemd war zwischen der Weste und der Hose sichtbar. Er hatte einen kurzen Schnurrbart und Backenbart und trug einen Zwicker, der ein bißchen schief auf seiner Nase saß.
»Captain Sullivan, Staatspolizei«, so stellte er sich vor. »Ist das hier die junge Dame?«
Als er auf Oktober deutete, wurden acht Zentimeter seiner Manschetten sichtbar. Die Ärmel seines Rockes waren zu kurz.
»Ich komme aus Washington«, sagte Captain Sullivan. »Meine Dame, Sie sind verhaftet.«
Oktober nickte. Sie hatte keine Fragen zu stellen.
»Holen Sie Ihren Mantel - haben Sie etwas Proviant im Hause?« Dies letztere war an Mrs. Elmer gerichtet. Sie nickte nur, denn sie fand in ihrer Bestürzung nicht die rechten Worte.
»Käse, Wurst und so weiter.« Captain Sullivans Augen ruhten auf dem Kaffeetopf. »Kaffee. Wir haben eine lange Reise vor uns.«
»Verhaftet?« Mr. Elmer fand die Sprache wieder.
»Verhaftet«, sagte Captain Sullivan von der Staatspolizei. »Vergehen gegen Paragraph neunundzwanzig.«
Mrs. Elmer verschwand in der Küche.
Sie kam in erstaunlich kurzer Zeit wieder mit einem Korb voll Proviant.
»Haben Sie Flaschen - eine große Flasche?«
Sie nickte stumm und kehrte dann aus der Küche zurück mit einer Flasche - einer großen Flasche. Gemächlich füllte Captain Sullivan die Flasche zur Hälfte aus dem Kaffeetopf und fügte Milch hinzu. Er nahm zwei große Handvoll Zucker und steckte sie in die Tasche seines Smokingjacketts. Seine Ernsthaftigkeit war beinahe beunruhigend.
»Verhaftet? Aber ich bitte Sie … verhaftet?«
Captain Sullivan sah Mr. Elmer den Bruchteil einer Sekunde streng an, dann nahm er den Mantel auf, der über der Stuhllehne hing.
»Ihrer?«
Oktober nickte. Sie stand jetzt auf.
»Kommen Sie«, sagte er und nahm von dem Tisch zwei Tassen. In einer Hand hielt er die Flasche, in der anderen den Korb. Ein Apfel fiel heraus, er bückte sich, ihn aufzuheben.
Krach!
Eine Naht seines Rockes war dieser Belastung nicht gewachsen - ein Stück Rockfutter wurde sichtbar.
Oktober folgte ihm gehorsam. Vor
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