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Nach Santiago - wohin sonst

Nach Santiago - wohin sonst

Titel: Nach Santiago - wohin sonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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tiefsten Wald heraus möglich. Gleichzeitig haben sie vor vier Jahren das Pferdefarm-Projekt aufgebaut, in der Absicht, von einem anderen Leben nicht nur zu predigen, sondern die Werte und Prinzipien, die sie vertreten, auch selber in die Praxis umzusetzen. Was sie tun, gefällt mir ausgezeichnet, es erinnert mich ein bißchen an meine eigenen Projekte. Auch sie sind ziemlich alleine — gelassen — , in ihrem Fall sind es die drei erwachsenen Söhne, welche die Utopien ihrer Eltern nicht teilen. Sie haben sich mit dem Kauf des Gutes und des dazugehörenden Grundes hoch verschuldet, und ohne Unterstützung der öffentlichen Stellen für ein Projekt des grünen Tourismus in einem extrem strukturschwachen Gebiet (Departement Tarn) werden sie heuer wohl das Handtuch werfen müssen. Wir unterhalten uns stundenlang, entdecken viele Gemeinsamkeiten in unserem politischen Denken, und ich beglückwünsche mich innerlich zum Entschluß, hier meinen Ruhetag einzulegen. Auch Ajiz ist anzumerken, daß er sich hier „pudelwohl“ fühlt. Der Schnee, die Atmosphäre, die Sympathie, die auch ihm entgegengebracht wird, all das macht ihn ganz ausgelassen.
    Marc und Maggy stellen mir einen Elektroradiator ins Gîte, und ich kann mit dem Trocknen meiner Ausrüstung beginnen. Höchst zufrieden und wieder im Einklang mit mir und meiner Umwelt schlafe ich ein.

    Samstag, 4. März

Tag der Ruhe

    Der Vormittag vergeht rasch mit Reparaturarbeiten an Körper — endlich wieder einmal warm duschen — und Ausrüstung: Socken stopfen, Hose und Schlafsackhülle nähen, Schlafsack trocknen, Schuhe trocknen und einfetten...
    Zu Mittag bin ich bei Maggy und Marc eingeladen, es gibt ein Festmahl (Linsensuppe, Hühnerleber mit Knoblauch und Koriander, grüner Salat, Obstkuchen, Rotwein, Kaffee), und ich genieße das Essen und die Gesellschaft in vollen Zügen. Die angeregte Unterhaltung geht ansatzlos dort weiter, wo sie am Vorabend aufgehört hat.
    So ist Reisen etwas Wunderbares! Sich aussetzen, sich exponieren, das Vertraute, Sichere, Gewohnte verlassen und hinausziehen ins Neue, ins Unbekannte — Peregrinus heißt Fremder auf lateinisch — und dort Begegnungen machen. Aufregende, interessante, prägende Begegnungen. Aus dieser Sicht verläuft es bisher einmalig. Das Wetter macht mir halt Sorgen!
    Am Nachmittag holen Marc und ich Holz für den Kamin und versorgen die Pferde, den Abend verbringe ich mit dem Pferdeknecht Alexandre, einem sympathischen jungen Mann aus der Gegend, der drei Tage bei seiner Freundin war und gerade zurückgekommen ist. Mit ihm esse ich auch zu Abend, denn Maggy und Marc haben Besuch.
    Morgen geht es weiter. Der Schnee als solcher bereitet mir kein besonderes Kopfzerbrechen, ich befürchte nur, daß er die Markierungen verdecken könnte.

    Sonntag, 5. März La Roussarié — Castres

Auf Hoch kommt Tief

    Die Ausrüstung ist trocken und repariert, der Rucksack gepackt, wir sind aufbruchbereit — und es schneit immer noch. Der Abschied von Marc und Maggy ist herzlich, wir werden uns sicher wiedersehen.
    Im Tiefschnee geht es ganz gut vorwärts, auch die Markierungen sind — falls überhaupt vorhanden — sichtbar. Aber kaum gelangen wir in tiefere Lagen, verwandelt sich der Schnee in Schneeregen, und der Tiefschnee auf dem Boden wird zu tiefem und schwerem Matsch. Die Energie und der Optimismus, die ich in La Roussarié getankt habe, fließen rasch über meine Füße in den Boden, und das Gehen wird zu einem anstrengenden Vorwärtskämpfen, so schwierig und mühsam wie bisher noch nie! Und dann begehe ich noch einen schweren strategischen Fehler, den ich mit 20 Kilometern auf einer vielbefahrenen Nationalstraße bezahle! Bei strömendem Regen und immer wieder von den Gischtfontänen rücksichtslos und schnell vorbeifahrender Autos überschüttet. Der absolute Tiefpunkt bisher! Und dabei wollte ich doch nur dem tiefen Schneematsch ausweichen und ein Stück auf der Straße abkürzen! Aber die kleine, für eine Abkürzung gehaltene Straße senkte sich auf der Kuppe auf die linke statt auf die rechte Seite, und als ich den Irrtum bemerkte, war ich schon zu weit vom Weg entfernt, um wieder zurückzugehen. Ich könnte mir selber in den Hintern beißen, jetzt geschieht es schon zum zweiten Mal — diesmal aber mit schwereren Konsequenzen — , daß ich zu schlampig auf die Karte schaue. Ich kann mir jedoch verzeihen, denn ich hatte alles Gewand übergezogen, um mich irgendwie vor dem schwer fallenden Schneeregen zu

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