Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
das Magma brodelt.
Die Phlegräischen (»Brennenden«) Felder nahe Neapel sind eine gespenstische Landschaft. Aus gelbbraunen Hügeln wehen schweflige Dämpfe, die nach faulen Eiern riechen. Mancherorts schießen Fontänen heißen Wassers aus der Erde. Doch im Gegensatz zum Vesuv verrät kein Vulkankegel das Ungetüm. Beim letzten großen Ausbruch vor 39.000 Jahren stürzte die Erdkruste ein, nachdem sich die riesige Magma-Kammer entleert hatte. Zurück blieb ein Krater, die sogenannte Caldera. In ihr liegt nun der Großteil der Metropolregion Neapel. Angesichts von eineinhalb Millionen Menschen in der näheren Umgebung handele es sich um »das gefährlichste Vulkangebiet der Welt«, so Giuseppe De Natale vom INGV -Osservatorio Vesuviano in Neapel, der Leiter des Bohrprojekts. Eine große Eruption wie vor 39.000 Jahren könne gar »weite Teile Europas« unter einer dicken Ascheschicht begraben, ergänzt Agust Gudmundsson von der Universität London. Geoforscher stufen die Phlegräischen Felder als Supervulkan ein.
Ein Wissenschaftlerkonsortium will im Rahmen des International Continental Scientific Drilling Program ( ICDP ) und des Integrated Ocean Drilling Program ( IODP ) an sieben Stellen des Monstrums Bohrungen anbringen – sechs in den Meeresboden, eine ins Festland. Ziel sei es, Ausbrüche vorhersagen zu können und das Verhalten von Vulkanen zu verstehen, so De Natale. Die Forscher wollen Einblick in das Innere des Ungetüms erhalten und in den Bohrlöchern Messgeräte installieren. Die Planung war anspruchsvoll, die Behörden mussten von den Sicherheitsvorkehrungen überzeugt werden. Experten des Geoforschungszentrums Potsdam ( GFZ ) entwickelten eigens ein Bohrgerät, das der Hitze im Untergrund widerstehen soll. Wissenschaftler vermuten, dass Magma die Erdkruste im Bohrgebiet auf mehr als 500 Grad erwärmt.
Wie es im Untergrund aussieht, wissen die Forscher nur aus indirekten Beobachtungen, etwa mithilfe von Schallwellen, die Querschnittbilder des Bodens liefern. Die oberen Erdschichten der Phlegräischen Felder scheinen demnach uninteressant: Sie bestehen vor allem aus Kalkstein. Es gibt aber Hinweise auf Magma in sieben bis acht Kilometer Tiefe – und die wichtigste Frage ist laut De Natale, ob nicht auch in geringerer Tiefe geschmolzenes Gestein schlummert. Die Bohrungen sollen jedoch nur bis zu vier Kilometer tief in den Boden vordringen. Damit erscheint es eher unwahrscheinlich, dass man direkt auf Magma trifft. Gefahr bestehe so oder so keine, beruhigt De Natale.
Vulkanologen debattieren sehr wohl, ob solche Bohrungen gefährlich sein könnten. Manche Geoforscher fürchten, die Vorstöße könnten Beben, Wasserdampfexplosionen oder gar Magma-Eruptionen auslösen. »Unter ungünstigen Bedingungen«, sagt Ralf Büttner von der Universität Würzburg, könne der Kontakt von Bohrflüssigkeit mit Magma »sehr gefährlich werden« – und durch Explosionen einen kleinen Vulkanausbruch auslösen. »Theoretisch denkbar wäre sogar, dass dadurch letztlich eine große Eruption verursacht wird«, meint Büttner. Entscheidend seien die Eigenschaften des Vulkans, sagt sein Würzburger Kollege Volker Dietrich. Unter Umständen drohe ein »totales Desaster«, da Magma gefährlich sei, wenn es unter hohem Druck steht. In zäher Masse stauten sich Gase, die das Gemisch hochexplosiv machten.
De Natale bezeichnet solche Überlegungen als »Unsinn«. Auch andere Vulkanologen wie der Würzburger Bernd Zimanowski sehen keinerlei Risiken. Eine Bohrung in eine Magma-Kammer ähnele einem »Stich in einen äußerst zähen Kuchenteig«. Eine solch schwerfällige Masse könne durch eine kleine Bohrung nicht in Wallung geraten, meint auch Christopher Kilburn vom University College London, ein leitender Wissenschaftler des Projekts. Um einen Ausbruch auszulösen, müsste »eine Kettenreaktion in einer großen Magma-Kammer in Gang kommen«, die Gasblasen im Magma wachsen ließe und so den Druck im Untergrund stark erhöhe. Ein »kleines Bohrloch« habe jedoch keinen solch großen Einfluss. Magma sei »viel zu zäh«, um da hindurch zu fließen, so Kilburn.
In Island ist 2009 jedoch genau das geschehen. Ende Juni 2009 musste das Iceland Deep Drilling Project ( IDDP ), mit dem Erdwärmeenergie erschlossen werden sollte, gestoppt werden. Bei 2104 Metern war überraschend Magma ins Bohrloch gequollen. Mit einer kleinen Explosion hatte das heiße Vulkangemisch Bohrflüssigkeit verdampfen lassen. »Ein tolles, spannendes
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