Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
dem Namen Nördlinger Ries. Und der Meteorit war nicht allein, ein Mond umkreiste ihn. Die 100 Meter dicke Eisenkugel schoss 40 Kilometer südwestlich vom Ries in den Boden. Sie hinterließ das Steinheimer Becken, eine heute fast vier Kilometer breite Kuhle.
Was genau passiert bei einem solchen Einschlag, weshalb wäre er in der heutigen Zeit so verheerend? Zuerst schmilzt der steinerne Boden unter dem Aufprall. Daraufhin schießt eine 20.000 Grad heiße Glutwolke drei Kilometer in die Höhe, sie versengt im Umkreis von Dutzenden Kilometern alles Leben. Die Sprengkraft von Hunderttausenden Atombomben katapultiert einen Hagel aus 300 Milliarden Tonnen Gestein in die Landschaft, die Trümmer fliegen 400 Kilometer weit – sie würden bis nach Österreich, in die Schweiz, sogar nach Böhmen reichen, in Stuttgart, München, Augsburg und Nürnberg würden tonnenschwere Kalkblöcke einschlagen. Kurz darauf geht ein mehrere Tausend Grad heißer Regen aus Glut und Säure nieder.
Geschosse und Feuer aus dem Himmel – dieses apokalyptische Szenario ereignete sich vor 15 Millionen Jahren. (Der Zeitpunkt ist umstritten: Der neuesten Datierung zufolge krachte der Trumm aus dem All vor genau 14,59 Millionen Jahren auf die Erde.) Die beste Aussicht auf den Schauplatz des Schreckens bieten die Anhöhen der Schwäbischen Alb: Östlich der Hügel klafft der Meteoritenkrater Nördlinger Ries, eine weite Kuhle mit Wäldern, Wiesen und Dörfern, in deren Mitte die kreisrunde Stadt Nördlingen; viele der heutigen Gebäude bestehen aus Trümmern jener gewaltigen Bombe aus dem All; sie enthalten sogar Diamantsplitter.
Der Meteorit traf Süddeutschland im Zeitalter des Miozäns, als dort regelrecht paradiesische Zustände herrschten: Elefanten, Urpferde und Affen durchstreiften eine üppige Subtropenlandschaft wie im heutigen Florida, mit Sümpfen und offenen Wäldern. Pelikane, Schildkröten und Krokodile rasteten an Tümpeln, Schlangen krochen durchs dichte Schilfgestrüpp. Sie alle waren dem Tod geweiht, als der kilometerdicke Steintrumm Kurs Richtung Erde nahm.
Seit Langem wundern sich Experten, dass im Boden des Nördlinger Ries im Gegensatz zu ähnlichen Meteoritenkratern nur wenig Spuren geschmolzenen Gesteins zu finden sind. Ein Meteorit dieser Größe hätte den Boden eigentlich Dutzende Meter tief schmelzen lassen müssen. Eine neue Bohrung in den Krater hat nun eine lediglich fünf Meter dünne Schmelzschicht zutage gefördert – Forscher präsentieren eine Erklärung dafür. »Der Meteorit wurde regelrecht pulverisiert«, sagt der Geologe Thomas Kenkmann von der Universität Freiburg. Ursache seien große Mengen Grundwasser in der damaligen Sumpflandschaft, sie hätten den Einschlag besonders explosiv gemacht, erklärt Natalia Artemieva vom Planetary Science Institute in Tuscon, USA; das Grundwasser sei beim Einschlag des Meteoriten in gigantischer Menge auf einmal verdampft. Dabei sei der Boden regelrecht zerfetzt, das geschmolzene Gestein größtenteils weggesprengt worden. Im Riesgestein fänden sich auffällig viele Minerale, die sich bei großer Hitze unter Zugabe von Wasser bildeten. Der Aufprall habe sogar dauerhaft Heißwasserfontänen im Ries sprießen lassen, berichten Forscher um Gernot Arp von der Universität Göttingen. Die Geochemiker haben im Krater Kalkminerale gefunden, die an sogenannten hydrothermalen Quellen in Vulkangebieten entstehen. Die Fontänen waren offenbar die Vorläufer einer erstaunlichen Seenlandschaft.
Im Nördlinger Ries schwappte nach dem Einschlag ein giftiger Salzwassersee; vorbei war es mit den paradiesischen Wassertümpeln. Beim Einschlag hatten sich Salzminerale aus dem Untergrund gelöst, die das in den Krater strömende Grundwasser zu einer lebensfeindlichen Brühe machten. Nur wenige Einzeller konnten überleben: Gernot Arp und seine Kollegen fanden Spuren winziger Salzwasserorganismen, sogenannter Stromatolithen, die in solchen Salzwasserseen leben; sie hatten die Fossilien bei Bohrungen im Ries entdeckt.
Die Umgebung des Sees wurde nach dem Einschlag aber bald wieder von den Tieren zurückerobert; sogar im Schilfgürtel herrschte reges Treiben. Dort, am Rande des Nördlinger Ries, finden Geologen immer wieder versteinerte Reste zahlreicher Vögel, Schildkröten, Igel, Schlangen und von marderähnlichen Raubtieren.
Der Meteoriteneinschlag hat Süddeutschland für immer verändert: Auswurfmassen blockierten Flüsse, die sich neue Wege bahnen mussten. Nordöstlich des Kraters
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