Nachhaltig tot (German Edition)
Dabei sollte er sie gar nicht alle hergeben. Zwei jedoch lagen strategisch so, dass ein Windpark ohne sie nicht möglich wäre. Viele geeignete Flächen gab es nicht in Dorfnähe.
Nicht davon trennen, Unsinn. Hubert schüttelte den Kopf. Es war eine Tatsache, dass Wenninge vor zwanzig Jahren große Teile seiner Felder verkauft hatte, als die Umgehungsstraße gebaut wurde, das Projekt, mit dem sich Huberts Vorgänger auf dem Bürgermeistersessel das Wohlwollen der Bevölkerung erkauft und die mehrfache Wiederwahl gesichert hatte. Wenninge war reich geworden. Wie einige andere Bauern auch. Als sein Vater ein paar Jahre zuvor gestorben war, hatte Wenninge einen Kredit aufnehmen müssen, um seine Geschwister auszuzahlen. Den konnte er nach dem Verkauf der Felder problemlos zurückzahlen, und es blieb noch eine Menge Geld übrig. Der Straßenbau hatte ihn finanziell unabhängig gemacht.
Nur die Ökos waren damals dagegen gewesen, wegen der Feuchtwiesen. Dabei gab es durch die Umgehungsstraße Ruhe im Dorf. Kein Durchgangsverkehr mehr, und das Quaken der Kröten in den Wiesen vermisste keiner. Wenninges Bruder Achim war damals noch Student und Teil der Ökobewegung gewesen. Er war dafür verantwortlich, dass aus der Stadt Aktivisten ins Dorf kamen und den Straßenbau blockierten. Doch die Umweltschützer waren zu jener Zeit eine Minderheit, die man nicht ernst nehmen musste. Nach einer Weile sinnlosen Protests zogen sie wieder ab.
Heute musste man sie ernst nehmen, aber für seinen Windpark würden die Umweltschützer Hubert lieben. Schließlich trug er damit zur Energiewende bei. Es war eine klassische Win-win-Situation. Eine Entscheidung im Interesse aller. Nur Wenninge war im Weg.
Hubert wandte sich um und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Auf dem lag die bunte Mappe mit den Plänen der Windsweep. Windräder drehten sich vor einem strahlend blauen Himmel. Das heißt, auf dem Foto war natürlich nicht zu erkennen, ob sie sich drehten oder still standen, Hubert ging einfach davon aus, dass sie sich drehten. Und sie würden sich drehen, Wind gab es genug.
Er blätterte den Ordner durch. Die Pläne waren gut. Er hatte sie dem Landrat vorgelegt. Die Genehmigung war kein Problem, eine Enteignung der Felder hatte der Landrat abgelehnt. Es gab viele Bauern, die sich nichts Besseres vorstellen konnten, als ihre brachliegenden Flächen teuer zu verkaufen. Jetzt, da die EU die Subventionen für Brachland stark gekürzt hatte, rentierten sich die Felder kaum noch. Es gab andere Bauern, denen es besser ging, und die noch unschlüssig waren. Vielleicht spekulierten sie darauf, dass der Hügel außerhalb der Stadt irgendwann als Bauland ausgewiesen wurde, dann könnten sie mit ihren Grundstücken viel verdienen. Wenn die ersten Windräder standen, war es mit diesem Traum vorbei. Kein Mensch wollte neben einem Windrad wohnen und die Gemeinde würde den Bereich nie als Bauland ausweisen können, wenn das Windprojekt verwirklicht wurde.
Blieb Wenninge. Ein harter Brocken. Wenn er verkaufte, würden sie alle verkaufen. Durch den Straßenbau war er so reich geworden, dass er es sich leisten konnte, auf den Verkauf dieser Felder zu verzichten. Da könnte man ansetzen. Ihn unter Druck setzen. Denn, wenn er nicht verkaufte, wurde es nichts mit dem Windpark und Windsweep suchte sich eine andere Gemeinde. Man müsste alle informieren, an wem es scheiterte. Wer schuld wäre, an entgangenen Einnahmen für die verkaufswilligen Bauern, an fehlenden Arbeitsplätzen und geringeren Steuereinnahmen. Würde Wenninge dann umfallen? Hubert war sich nicht sicher.
Übermorgen würden die Herren von Windsweep kommen und im Gasthaus einen Vortrag über ihre Pläne halten. Damit die Bevölkerung gut informiert entscheiden konnte. Das ganze Dorf war eingeladen. Solange musste er sich zurückhalten. Nicht voreilig sein. Das mochten die Menschen auf dem Land nicht. Doch er musste genau überlegen, was er sagen wollte. Er wandte sich wieder zum Fenster, als könnte er die richtige Entscheidung draußen sehen, wenn er nur lange genug hinschaute.
Ihm blieben vier Wochen. Das hatten sie ihm gesagt. Vier Wochen, um die Unterschriften beizubringen. Vier Wochen, sonst würden sie nach einem anderen Gebiet suchen.
Seufzend schlug er die Mappe zu und packte sie in seine neue Aktentasche. Inge hatte sie ihm geschenkt. Zu seiner Wiederwahl als Bürgermeister. Und er hoffte, sie würde noch lange die Bürgermeistertasche bleiben.
Er verließ das Rathaus und
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