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Nachhaltig tot (German Edition)

Nachhaltig tot (German Edition)

Titel: Nachhaltig tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brabänder , Karin Mayer
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gekommen. Logisch. Er war mir gleich aufgefallen, als ich meine Oma das erste Mal hier besucht hatte. Nicht, dass ich ihm auch aufgefallen wäre. Dazu war ich zu unbedeutend. Aber ich träumte seitdem von einem ersten richtigen Treffen.
    Aber doch nicht heute! Nicht in meinem desolaten Zustand! Ich versteckte mich hinter einer großen Zimmerpflanze und spähte hindurch.
    Es war gar nicht sicher, dass er überhaupt Hans hieß. Auf seinem Namensschild stand H. Scheer. Er hätte auch Horst heißen können. Oder Hubertus.
    Meine Oma fing gleich an zu keifen, als sie meinen Zustand sah. Vor ihrem inneren Auge lag ich bereits mit Lungenentzündung, 42 Grad Fieber, wegen der Gehirnhautentzündung irre und mit ausgefallenen Haaren im Krankenhaus. Sie beruhigte sich erst, als sie meine Haare gefönt, meine Kleider (auch die Unterwäsche!) ausgezogen, und mir ein riesiges Flanellnachthemd angezogen hatte. Sie drückte mich auf das Bett und wickelte mich so eng in die Decke rein, dass ich mich gar nicht bewegen konnte. Da lag ich in der Gefangenschaft der Decke und musste zusehen, wie sie den Rufknopf für die Altenpfleger betätigte.
    Lieber Gott, hilf mir, dass er keinen Dienst mehr hat! (Es war ein blöder Wunsch. Natürlich wusste ich genau, dass er bis 19 Uhr da sein musste.) Lieber Gott, hilf mir, dass er zu einem dringenden Fall gerufen wird! In einem Altenheim kann immer was passieren. Nur dass nicht er mit dem Kaffee erscheint!
    Mein Gebet konnte nicht einmal die Decke durchdringen, schon stand er da, in seiner vollen Größe, eine schwarze Thermo-Kaffeekanne in der Hand. Als wenn er meine Oma gar nicht bemerkt hätte, sprach er mich direkt an: „Frau Hofberg, Sie sehen heute aber gut aus! Ich sagte Ihnen, diese neuen Tabletten wirken Wunder. Sie sehen gut 50 Jahre jünger aus!”
    Ich fühlte mich wie der blöde Wolf im Rotkäppchen-Märchen. Es fehlte noch, dass er anfing aufzulisten, wie groß meine Ohren und Nase sind.
    Dazu kam es aber doch nicht, weil meine Oma ihn mit der Gelenkigkeit und Kraft einer 17-jährigen ins Zimmer zog: „Schnell, schnell, wir haben nicht viel Zeit! Schließen Sie bitte die Tür, und ich erledige das Ding hier.“ Sie fummelte etwas an den Rufknopf, dann zwinkerte sie uns zu: „Die Wanze ist provisorisch ausgeschaltet.“
    Sie drückte Hans in den Besuchersessel und setzte sich selbst auf die Bettkante. Sie sprach leise, aber sehr entschlossen. Diese Seite an ihr kannte ich noch nicht.
    „Von Anfang an hatte ich den Verdacht, dass hier etwas nicht stimmt. Die Preise waren so niedrig. Für so viele Dienstleistungen zahlt man sonst ein Vermögen. Wenn man überhaupt so was kriegt, wie 24 Stunden Arztaufsicht oder Nachmittagskaffee inklusive.“
    Hans griff nach der Kanne, aber sie winkte ab und sprach weiter: „Lassen Sie den Kaffee! Wer weiß, wie viel Zeit wir noch haben.“ Sie griff Hans‘ linke Hand und fasste mit der anderen an meinen gefangenen Schenkel. „Wir müssen etwas tun! Wir müssen herausfinden, was in diesem Haus passiert.“ Sie wandte sich direkt an Hans: „Mein Lieber, Sie können natürlich nicht für eine Ewigkeit hier sitzen. Ich werde meiner Enkelin alles erzählen, mit ihr können Sie dann besprechen, was Sie unternehmen. Passen Sie aber gut auf sich auf! Ich habe das Gefühl, wir haben es mit hemmungslosen Verbrechern zu tun!“
    Wahrscheinlich dachten wir dasselbe: Die Arme. Hans war bestimmt verärgert. Noch eine Patientin, die nicht alle Tassen im Schrank hat. Und ich … Einerseits tat sie mir natürlich leid. Wir kamen immer gut miteinander aus. Andererseits wollte ich sofort fliehen. Ich musste mich aus dem Gefängnis der Decke befreien, solange Hans da war. Auch wenn er mich im scheußlichen Flanellhemd meiner Oma sah, ich musste hier raus! Ich machte mit meinem Fuß eine entschlossene Bewegung, um die Decke zu heben. Meine Oma war aber auf der Hut und wie in meiner Kindheit drückte sie mein Bein mit eisernen Händen zurück: „Du bleibst noch da! Es fehlt uns gerade noch, dass du dich erkältest und stirbst. Ich habe außer dir niemanden, der mir helfen könnte.“
    Hans schlich schnell aus dem Zimmer. Aus der Tür guckte er mich noch kurz und voller Mitleid an, dann war er weg. Ich wollte ihm nachrufen: Befreie mich, Königssohn! Halt, küss mich wenigstens! – Aber ich spürte den Blick meiner Oma auf mir und blieb still.
    „Hallo, ich bin’s. Rufen Sie gleich den Direktor der Wasserwerke an. – Nein, keine Namen, Sie wissen schon, wen ich

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