Nachhaltig tot (German Edition)
Gebäude aus der gleichen Leitung. Und an jenem Tag war das Wasser in der Schule super. Wie immer.
Wir dachten darüber nach. Mehr fiel uns im Moment nicht ein, so machten wir uns auf den Weg. Hans begleitete mich zum Zentrum, half mir beim Heben meines Koffers, und ließ mich versprechen, dass ich das nächste Mal eine Gürteltasche als Tarnung wählte. Aber nach dem dritten Umsteigen hatte er keine Lust mehr, blöde Witze zu machen.
Am nächsten Tag hielten wir einen Kriegsrat bei meiner Oma ab. Wir beide wussten, wenn wir sie nicht ernst genug nahmen, würden wir ihre Sorgen niemals beseitigen können. Und die Sache mit dem Wasser gefiel uns auch nicht. Besonders, nachdem meine Oma uns ihre Sammlung zeigte: Zeitungsausschnitte, Anzeigen, alles, was darüber in der Zeitung erschienen war.
Oma war mit uns recht zufrieden. Plötzlich fing sie an, sich laut über das Wetter zu beklagen, wobei sie auf allen Vieren unter das Bett kroch. Sie hantierte eine Zeitlang von unten an der Matratze, dann zog sie ein zusammengefaltetes Papier hervor. Es war eine Tabelle voll mit chemischen Zeichen und komischen Zahlen. Mit ihrem Zeigefinger wies sie uns an, nicht zu sprechen, und rief ganz laut in Richtung Rufknopf: „Du kannst es ruhig deiner Mutter mitnehmen. Ich sammele schon lange keine Ansichtskarten mehr.“
Ich steckte das Papier in meine Hosentasche. Sowohl Hans als auch meine Oma guckten mich bedeutungsvoll an. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit der Tabelle anfangen sollte, aber ich tat so, als wenn ich mit Gedankenlesen keine solchen Probleme hätte, wie mit dem Burenkrieg. Ich klopfte an meine Hosentasche, zeigte mit meinem Daumen ein Okay-Zeichen, und verabschiedete mich von ihnen.
Zu Hause schob ich meine Bücher wieder beiseite. Ich konnte meine Zeit jetzt nicht mit lange Verstorbenen verplempern, ich hatte hier und jetzt eine Mission von historischer Bedeutung!
“Hallo, ich bin’s wieder. Stellen Sie alle Dokumente zusammen, die mit der Wasserpanne in Zusammenhang stehen! Die Tabellen, die Werte und Auswertungen, alle Publikationen, Zeitungsartikel. Alles. Ich brauche den Ordner in einer halben Stunde hier auf meinem Schreibtisch.“
Ich suchte lange im Internet, bis ich alle Zeichen und chemische Formeln gefunden hatte. Ich schrieb sie auf ein großes Blatt Papier. Ich war so ordentlich und gut strukturiert wie noch nie. Ich dachte, wenn ich mit diesem Projekt fertig bin, werde ich meine neuen Methoden auch bei anderen historischen Projekten verwenden. Ich sprang von Webseite zu Webseite, meine Augen vibrierten von den vielen Bildern, Bannern, Formeln. Eine Sache wurde mir relativ schnell klar: Die Werte bezogen sich auf Wasserverschmutzung und wichen von den normalen Werten stark ab.
Es war halb zwei in der Nacht, als ich eine Studie fand, die die gesundheitlichen Folgeschäden der Wasserverschmutzung analysierte. Ein paar Elemente der Tabelle und ihre Wirkungen wurden sogar ausführlich beschrieben. Da stand alles schwarz auf weiß in PDF-Form: Irritationen der Nasenhaut, bei größerer Dosis sogar Beschädigung derselben, Durchfall, Magenschmerzen, bei langer Einwirkung Gelenkbeschwerden.
Aufgeregt rief ich Hans an. Ich wusste, er hatte keinen Dienst mehr. (Als ich ihn das erste Mal erblickt hatte, hatte ich mir seine turnusmäßigen Dienstzeiten für die nächsten acht Monate besorgt. Länger ging es leider nicht. Wie schön, dass ich sie gleich auswendig gelernt hatte! – Hätte Hans zufällig burische Vorfahren gehabt, hätte ich meine Prüfungsvorbereitungen leichter geschafft.)
Ich merkte an seiner Stimme, dass ich ihn geweckt hatte. Er war aber nicht böse. Er hätte auch keine Zeit dazu gehabt, da ich ihn sofort mit meinen neuen Informationen vollstopfte. Ausführlich fragte ich ihn aus, ob er in der letzten Zeit Bewohner mit Durchfall und Erbrechen gehabt hätte oder mit ungewöhnlichen Beschwerden in den Gelenken. So ad hoc konnte er keine Antwort geben, aber es war ihm aufgefallen, dass alle Bewohner mit Magenproblemen im Flügel B waren. Die Gelenke täten allen weh: mal das Knie, mal der Ellenbogen, mal das Kreuz. „Die Armen“, fügte er noch mitfühlend hinzu.
Die Armen! Plötzlich hatte ich eine Idee. Ich war zwar nicht über alle strategischen Fragen des Burenkrieges im Bilde, aber schon von Anfang an empört darüber, dass man immer die armen Bauern in der ersten Reihe aufstellte und in den Kampf schickte. Eigentlich war das der Grund, weshalb ich eine nähere Beziehung mit
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