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Nachhaltig tot (German Edition)

Nachhaltig tot (German Edition)

Titel: Nachhaltig tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brabänder , Karin Mayer
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hatte er den Faden an der Uni verloren. Er würde mir sowieso nicht glauben, und wenn doch, würde er nie etwas riskieren. Ehrlich gesagt: Ich hätte mir auch nicht geglaubt. Das Ganze war echt surreal. Aber ich wusste auch: Meine Oma wäre die letzte, die Selbstmord begehen würde.
    Ich verließ das Gebäude, ohne zu wissen, wohin. Mein Vater wüsste bestimmt, an wen er sich wenden sollte. Mit der halben Stadt war er zur Schule gegangen, die andere Hälfte hatte er danach kennengelernt. Jede Woche spielte er Monopoly mit einem Schuldirektor (Gott sei Dank nicht mit meinem!), mit einem Feuerwehrhauptmann, einem ehemaligen Kommissar, den alle nur „Torst“ nannten, und einem Synchronsprecher. Und für alle anderen Fälle war Robert da, unser Nachbar. Was dessen ursprünglicher Beruf war, wusste kein Mensch, aber er half, wenn Schränke verschoben werden mussten, er besorgte und stapelte unser Kaminholz, er reparierte die tropfenden Wasserhähne. Ob er auch bei der Befreiung von Oma behilflich sein könnte?
    Torst, der pensionierte Kommissar! Ich wusste sogar, wo er wohnte. Schnell rief ich meine Freundin an und sagte ihr, dass ich krank sei. Sie solle in der Schule Bescheid sagen. Dann ging ich mit entschlossenen Schritten Richtung Hauptplatz. Mit ein wenig Glück würde ich ihn sogar zu Hause antreffen.
    „Hallo, ich bin’s. Sind Sie verrückt geworden? Ein Selbstmordversuch in unserem Heim? Das fehlt uns noch - eine Untersuchung. Wie wagten Sie es, ohne meine Zustimmung eine solche Entscheidung zu treffen? – Ich will nichts davon hören. Harmlos? Wer weiß schon, was harmlos ist? Sie soll verschwinden. Alle Spuren sollen verwischt werden. Alle, verstehen Sie? Sie soll einfach von der Erde verschwinden, bis ich einen anderen Befehl gebe. – Nein, auf keinen Fall. Schlaftabletten, Beruhigungsmittel, aber ganz kleine Dosen. Je mehr sie schläft, desto weniger spricht sie. Seien Sie sehr, sehr vorsichtig!“
    Ich hatte großes Glück. Für einen ehemaligen Kommissar war Torst eine Schlafmütze. Er kam im Bademantel zur Tür. Ich musste eindrucksvoll auf ihn gewirkt haben, denn er bat mich gleich herein, bot mir Tee an und hörte sich meine Geschichte aufmerksam an. Es war keine zusammenhängende Erzählung, immer wieder vergaß ich etwas Wichtiges, ich sprang vom Hölzchen aufs Stöckchen. Er war ernst und konzentriert. Beim Monopoly-Spiel erlebte ich ihn immer ganz anders. Als ich fertig war, stand er lange am Fenster. Ich dachte schon, er hätte mich vergessen. Ich saß nur da, leer, mit bleischweren Gliedern, todmüde. Die Nacht, das Rennen heute früh, der Schock, alles zog mich auf einmal völlig runter. Ich betrachtete die nackten Füße des Kommissars und wurde plötzlich misstrauisch. Was wäre, wenn auch er eingeweiht war? Er arbeitete als staatlicher Angestellter, ich konnte nicht sicher sein, auf welcher Seite er stand. Ich fing an zu schwitzen.
    Nach einer Weile drehte er sich um. Ich konnte an seinem Gesichtsausdruck nicht erkennen, was er dachte. Er sagte, ich solle ruhig zur Schule gehen, er organisiere alles. Ich solle meinen Ordner noch heute bei ihm abgeben, am Nachmittag würde er schon wieder zu Hause sein. Ich dürfe aber mit niemanden über die Angelegenheit reden.
    Ich stand auf und flüchtete aus der Wohnung. Es war ziemlich unhöflich von mir, aber ich hätte keine Minute mehr da verbringen können. Ich musste einfach weg.
    Auf der Straße wurde ich von Personen verfolgt. Überall, wo ich hinguckte, starrte man mich an. Ich ging auf einem Umweg nach Hause und blickte ständig nach hinten, ob die Verfolger noch da waren; aber vielleicht bildete ich mir das alles auch nur ein. Zu Hause angekommen schloss ich die Tür hinter mir ab und hatte wieder keine Ahnung, was ich machen sollte. Der Ordner und die Tabelle waren Zeitbomben. Wenn ich sie behielte, wäre ich erledigt. Wenn ich sie aus der Hand gäbe, könnte ich vielleicht am Leben bleiben, aber meine Oma würde ich dadurch auch nicht retten. Und vor allem wusste ich nicht, wem ich vertrauen konnte. Hans war letztendlich nur ein Angestellter. Was, wenn er auch nur Theater spielte?
    Ich hörte plötzlich ein komisches Geräusch von oben. Ich erstarrte! Es klang, als wenn eine Tür zugeschlagen worden wäre. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass es gar nicht von oben kam. Es war der Müllwagen. Ich sprang auf. Ich würde keine Minute mehr in diesem Haus bleiben! Ausgeliefert. Lahm. Ich nahm den Ordner und lief zur Straße. Zur Schule

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