Nachhaltig tot (German Edition)
fand langsam wieder zu sich. „Ihr könnt mir alle glauben, es gibt tausend Dinge, die ich jetzt lieber tun würde, als in dieses Haus zu gehen, aber offensichtlich vertraut mir Peter Dorn, und nur mir. Und die Kinder da jetzt rauszubekommen ist doch das Wichtigste.“
Michael Keil schien wenig überzeugt. Anne wandte sich direkt an ihn: „Sehen Sie, wenn ich ihn überreden konnte, die Kinder rauszulassen, dann ist das doch ein Zeichen, dass er noch verhandlungsbereit ist. Vielleicht kann ich ihn überzeugen, ganz aufzugeben.“
„Gut“, Michael Keil wirkte auf einmal sehr entschlossen, „auch wenn sich alles in mir sträubt, das ist vielleicht die beste Chance. Aber seien Sie bloß vorsichtig, regen Sie ihn nicht auf.“
Anne nickte. Michael Keil ging zum Wagen und holte eine schusssichere Weste für sie. Während sie diese anzog, versuchte ihr der Psychologe noch zu helfen. Sie gab sich alle Mühe, sich auf seine Ratschläge zu konzentrieren, aber in ihrem Kopf pochte und rauschte es. Sie hatte gerade eine große Rede geschwungen; sicher war nichts wichtiger, als die Kinder zu retten, aber in diesem Moment wollte sie nur ihre Beine in die Hand nehmen und so schnell wie möglich davonlaufen. Stattdessen trugen ihre Beine sie jetzt in Richtung des umstellten Hauses. Sie drückte die Klingel.
„Herr Dorn, ich bin jetzt da.“
Langsam ging die Tür ein Stück auf. Anne trat in den dunklen Flur. „Herr Dorn?“ Sie sah einen Schatten hinter der Tür.
„Bleiben Sie stehen.“ Anne hörte die Tür ins Schloss fallen und rührte sich nicht.
„Es tut mir leid“, sagte er und kam langsam näher, „ich will nur sichergehen, dass Sie keine Waffe tragen.“
Auf einmal spürte Anne seine Hand an ihrem Körper. Sie erstarrte. In ihre Nase drang starker Schweißgeruch. Er zog seine Hand zurück und sie hörte, wie er sich von ihr weg bewegte. Plötzlich ging das Licht an. Anne drehte sich um. An der Tür stand Peter Dorn, strähnig und verschwitzt, die Waffe in seiner Hand zeigte auf den Boden.
„Wo sind die Kinder?“, fragte sie.
„Dort drüben“, er deutete auf die nur angelehnte Tür am Ende des Flurs.
Anne ging auf die Tür zu und öffnete sie vorsichtig. Im Kinderzimmer saß Miriam Dorn auf dem Bett, fest an ihre Kinder geklammert, die zu beiden Seiten an ihr hingen.
„Frau Dorn, ich werde die Kinder jetzt rausbringen.“ Doch Miriam Dorn schien sich nicht von den Kindern trennen zu wollen. „Frau Dorn, bitte.“
Miriam Dorn stand mit den Kindern auf und bewegte sich langsam zur Tür.
„Gib sie der Frau“, herrschte Peter Dorn sie plötzlich an.
Miriam Dorn blickte ihren Mann an. In ihr Gesicht, das bis eben wie aus Stein gewesen war, kam mit einem Mal Bewegung. „Peter, bitte, lass mich mit ihnen gehen“, schluchzte sie.
„Du bleibst hier.“ Er nahm die Kinder Miriam weg und drückte sie Anne auf. Anne spürte, wie es den größeren Jungen wieder zu seiner Mutter zurückzog, während das Mädchen steif neben ihr stand. Schnell packte sie die Kinder und schob sie den Flur hinunter. Sie öffnete die Eingangstür einen Spalt und rief laut: „Die Kinder kommen jetzt raus!“
Sie drückte die Kinder durch den Spalt nach draußen, in Richtung der wartenden SEK-Beamten. Sie stand in der Tür; ein Schritt nach vorne und sie hätte das Haus verlassen. Sie warf einen Blick zurück auf Peter Dorn, der schräg hinter der Tür stand. „Frau Kremer, bitte gehen Sie nicht, ich muss mit Ihnen reden.“
Anne zögerte. Peter Dorn war am Ende. Er war am Ende und suchte die rettende Hand. Sie dachte an Miriam Dorn, die immer noch in dem Haus war.
„Ich bleibe im Haus. Es ist alles in Ordnung“, rief sie den Kollegen draußen noch zu, bevor sie die Tür hinter sich schloss.
„Ich danke Ihnen. Frau Kremer, Sie müssen mir glauben, ich war’s nicht. Ja, die Waffe ist meine, aber ich war’s nicht. Etwas läuft hier ganz furchtbar schief.“
„Ich glaube Ihnen, aber das, was Sie hier veranstalten, ist doch keine Lösung. Bitte geben Sie mir die Waffe und es wird sich alles klären.“
Er reagierte nicht. Anne versuchte in seinem Gesicht zu lesen, was in ihm vorging. Hatte sie eine Chance, dass er jetzt aufgab? Ganz vorsichtig machte sie einen Schritt auf ihn zu. Doch plötzlich kam wieder Leben in ihn. Er schüttelte sich, riss die Hand mit der Waffe hoch und schrie: „Bleiben Sie weg! Es geht nicht! Bleib weg!“
Anne erschrak fürchterlich. Sie erinnerte sich wieder an die Worte des
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