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Nachhaltig tot (German Edition)

Nachhaltig tot (German Edition)

Titel: Nachhaltig tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brabänder , Karin Mayer
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Drivers-Inn, hier „Dieselbear“ genannt, war in deutscher Sprache mit englischen Untertiteln, auf der Infotafel der Gemeindeverwaltung war es umgekehrt.
    Williamsburg war, wie ich später erfahren sollte, ein Nest von etwa dreitausend Einwohnern, fast allesamt mit deutschen Wurzeln. Bisher hatte ich Texas immer mit Erdöl und Rinderherden in Verbindung gebracht, hier war der Weinanbau die zentrale Wirtschaftskraft. Die Deutschen hatten die Winzerbetriebe vor mehr als hundert Jahren angesiedelt.
    Ein Fremder in dieser Abgeschiedenheit bleibt nur für Sekunden unentdeckt. Als die Leute herausbekamen, dass ich quasi direkt aus Deutschland hierhergekommen war, konnte ich die Fragen nicht so schnell beantworten, wie sie gestellt wurden. Binnen Minuten ging es nicht mehr um die Frage, ob ich bleiben wollte, sondern um die Tatsache, dass ich bleiben musste. Obwohl alle deutsch mit mir sprachen, kriegte ich nur die Hälfte mit, und mir zu merken, wer in diesem Ort wofür zuständig war, überforderte mich völlig. Da gab es Leute von der Gemeindeverwaltung, dem County, dem Council, der Church, der Winery und was weiß ich von welchen Organisationen. Sie wurden mir allesamt vorgestellt und versicherten, man werde sich um mich kümmern, aber ich möge erst mal erzählen, was es von Good-Old-Germany an Neuigkeiten zu berichten gab. Bereits nach den ersten Stunden wurde mir klar, dass ihr Informationsstand der Zeit um einige Jahre nachhinkte.
    Die Familie Werner, gesprochen Wörnör, ließ es sich nicht nehmen, mich zu beherbergen, vorerst kostenlos, bis ich sesshaft geworden wäre, nur für die Verpflegung zahlte ich zehn Dollars a day. Das war soweit in Ordnung, und die Wörnörs waren überaus nett.
    Ich bot mich an, tagsüber in den Weinbergen zu helfen, was gerne angenommen wurde, sogar die Bezahlung war recht zufriedenstellend.
    Demnach hätte ich mich auf eine glückliche Zukunft einstellen und die düstere Nacht in Sisterscrown vergessen können, wäre Dithör nicht gewesen.
    Dieter war der einzige Sohn der Werners, fünf Jahre jünger als ich und ein verzogener Taugenichts mit neonazistischen Ansichten, was ich seiner Tätowierung am Unterarm entnahm. Über die Woche arbeitete er im fast fünf Autostunden entfernten Dallas als Hotelmanager, aber das war meiner Meinung nach nur die wohlwollende Umschreibung seiner Eltern. Wahrscheinlich ging er dort irgendeiner Hilfstätigkeit als Dienstbote oder so etwas Ähnlichem nach, denn zu mehr reichten weder seine Intelligenz noch sein Arbeitswille aus. Dummheit und ein großes Maul bilden meist in Kombination eine unangenehme Mischung, und Dithör Wörnör war so ein Konglomerat.
    Whatever! Am Wochenende tauchte der missratene Zögling auf, und ich merkte gleich, dass die Nachbarn und Bekannten der Familie froh waren, wenn sie ihm aus dem Weg gehen konnten. Nur die Werners himmelten ihren Sprössling an und lobten ihn über den grünen Klee, wo immer es ging. Am ersten Wochenende war das alles neu für mich, wir wurden uns vorgestellt, blieben aber auf Distanz. Ich merkte jedoch gleich, dass es Dieter nicht recht war, wie sich seine Eltern um mich bemühten. Mir war klar, dass das auf Dauer nicht gutgehen konnte. Mit dieser Einschätzung sollte ich Recht behalten. Dass die Sache allerdings so ausgehen würde, konnte ich zu diesem Zeitpunkt beim besten Willen nicht ahnen.
    Am Sonntagabend verschwand Dieter wieder in Richtung Dallas, und die Situation entspannte sich. In der darauf folgenden Woche, meiner zweiten in den Weinbergen rund um Williamsburg, erkannte ich, dass ökologischer Landbau für die Weinbauern der Gegend anscheinend ein Fremdwort war. Da wurde gedüngt und mit Pestiziden gespritzt, was das Zeug hielt, ein Zustand, der unbedingt geändert werden musste, jedenfalls war das meine feste Überzeugung.
    Mittwochs saßen wir alle im „Deutschen Haus“ zusammen, einer Art Gemeinschaftshaus, in dem die Belange und Neuigkeiten aus dem Ort diskutiert wurden. Ich fand, dass dies eine passende Gelegenheit sei, um den Leuten die Bedrohung der Welt durch die Chemie im Ackerbau und den sorgsamen Umgang mit den Ressourcen nahezubringen. Weil ich schon mal dran war und in Fahrt kam, bemängelte ich nicht nur die Missstände im Weinbau, sondern stellte auch klar, wie unsinnig es sei, die Leuchtreklamen und Straßenlaternen im ganzen Ort über Nacht brennen zu lassen.
    Selten habe ich so viel Uneinsichtigkeit erlebt! Der moderate Teil der Anwesenden begegnete mir mit

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