Nachhilfe in Erster Liebe
Siri.
Ich hätte es besser gefunden, wenn Patricia mich bedauert, aber so ist sie nun einmal: geradeheraus, direkt, unverblümt und völlig unfähig zu lügen. Deshalb ist sie aber auch meine beste Freundin. Bei ihr weiß man immer genau, woran man ist. Sie würde nie etwas hinter dem Rücken eines anderen machen.
Warum ausgerechnet ich ihre beste Freundin bin, weiß ich allerdings nicht so genau. Dass ich alles kann, aber nichts richtig, wird’s wohl nicht sein. Aber recht hat sie schon damit. Leider. Ich würde nämlich gern vieles ganz toll können, aber offenbar hat sich mein Talent auf alles, was es in der Welt gibt, verteilt und dann blieb eben für nichts noch wirklich viel übrig. Ich spiele zum Beispiel seit fünf Jahren Gitarre, ganz passabel, aber für eine Musikerkarriere reicht’s dann doch nicht. Ich bin auch in den meisten Sportarten nicht schlecht, aber in keiner so richtig vorn dabei, wie etwa Marie, die bestimmt mal in der Frauenfußballnationalmannschaft kicken wird und schon jetzt so gut ist, dass sie als einziges Mädchen noch bei den Jungs mitspielen darf. Auch in der Schule bin ich ganz gut, ich habe in keinem Fach eine Vier oder schlechter. Dafür habe ich aber auch in keinem eine Eins. »Weil du faul bist«, sagt meine Mutter.
»Weil ich meine Energien auf so vieles verteilen muss«, glaube ich. Ich finde aber auch alles interessant, und nur wenn man etwas ausprobiert hat, kann man ja auch sagen, ob es einem wirklich gefällt, oder?
»Vom Waveboardfahren hab ich jedenfalls genug,« verkünde ich. Vor allem in Gegenwart einer Horde fußballspielender Jungs. Und Jan.
Besonders Jan.
»Es war bestimmt total romantisch, so Auge in Auge zu sein, ganz nah mit Jan, und er auch noch so über dich gebeugt, dass dich bestimmt seine tollen langen Haare berührt haben«, schwärmt Patricia, und Siri verzieht ein bisschen eifersüchtig das Gesicht.
»Es war total peinlich«, meine ich nur und fasse mir wie zur Bestätigung an meine Beule an der Stirn, die wir mit Hilfe von Patricias Mutter immerhin von klebrigem Blut und dicker Kruste gereinigt haben. Zum Glück kann ich das mit meinen Haaren so verdecken, dass meine Eltern nichts merken werden.
Patricia ist sich sicher, dass ganz viele Mädchen aus unserer Schule nur für den einen Moment der Nähe mit Jan sofort mit mir hätten tauschen wollen. Siri sieht jetzt tatsächlich danach aus, so verträumt wie sie guckt. Soll sie doch das nächste Mal Jans Waveboard nehmen. Aber Siri ist im Vergleich zu mir wie ein plattes Dreirad gegen eine Turborakete, was die Sportlichkeit betrifft. Und weil sie das aber auch genau weiß, probiert sie erst gar nicht so dämliche Harakiri-Aktionen wie ich und erspart sich damit einiges. Allerdings auch die Nähe zu Jan.
Ich gebe zu, dass das schon ganz schön war, und insgeheim bin ich fast froh, dass mir das vorhin auf dem Fußballplatz passiert ist. Vor Siri würde ich das aber nie sagen. So wie die für Jan schwärmt.
Eigentlich schwärmen alle Mädchen in unserem Alter für Jan. Außer Marie. Die schwärmt nur für seine Flanken und Freistöße. Klar, sie findet ihn total in Ordnung, mehr aber auch nicht. Sie weiß überhaupt nicht, was man außer seinem begnadeten Sporttalent an ihm so toll finden muss. Ich weiß das schon. Jan ist einfach der bestaussehende Junge der gesamten Mittelstufe. Weil er früher mal eine Klasse wiederholen musste, als er hierher gezogen ist, ist er schon über ein Jahr älter als wir, nämlich fünfzehn, auch wenn er in unsere Parallelklasse geht. Er ist längst nicht mehr so kindisch wie die anderen Jungs bei uns, er hat sogar schon eine richtig tiefe Stimme und sieht wegen seinem Sport supermuskulös aus. Dazu seine hellblauen Augen und seine halblangen Haare, die er sich immer mit einer ganz bestimmten lässigen Bewegung aus dem Gesicht streicht. Er ist sogar cool, wenn er nur am Schulkiosk ein Käsebrötchen kauft. Da können die anderen Jungs einfach nicht mithalten.
Dafür kann auch kein Mädchen bei Jan mithalten. Er hatte noch nie eine feste Freundin, weil keine perfekt genug für ihn ist. Nicht einmal Patricia, und das will was heißen. Patricia könnte nämlich Model sein. Aber Patricia ist das egal. »Ich seh einfach ganz gut aus, mehr nicht«, meint sie schulterzuckend.
Die meisten Jungs meinen da ganz was anderes, und ich finde, sie haben recht. Patricia ist groß, aber nicht riesig, sie
ist schlank, aber nicht dünn, sie hat lange blonde Haare wie Barbie, ist aber
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