Nachhilfe in Erster Liebe
undurchschaubar? Da halte ich mich lieber an das, was ich wirklich durchschaue: Mathe. Und so erkläre ich Jan, dass er sich locker machen kann, weil ich noch gar nicht nach Frankreich gehen darf und ihm deshalb auch weiter Nachhilfe in Mathe geben werde.
»Ich meine eher noch ’ne andere Nachhilfe«, sagt Jan jetzt
mit so seltsam klingender Stimme und tritt ziemlich nah an mich heran.
»Ich kann sonst nichts so gut«, klinge ich jetzt auch so seltsam anders, weil ich Jan schon riechen und fast auch schon spüren kann, so dicht steht er vor mir.
»Doch. Und ich brauche Nachhilfe in einem Fach, das ich nur mit dir zusammen machen kann.«
»Was denn?«, krächze ich aufgeregt.
»Nachhilfe in erster Liebe«, flüstert Jan und kommt mir jetzt so nah, wie ich es mir in meinen Träumen immer gewünscht habe. Dann sieht er mich so intensiv an, dass ich fast nur noch seine himmelblauen Augen sehe. Und dann sehe ich gar nichts mehr, sondern fühle nur noch himmelblau, weil ich im siebten Himmel bin, als wir uns endlich küssen.
Epilog
Mein »Sexy Girl«-Shirt habe ich natürlich doch nicht weggeworfen. Als Jan und ich uns an jenem Nachmittag endlich genug geküsst hatten, was ehrlich gesagt ziemlich lange dauerte und sich total gut anfühlte, hat Jan das Shirt wieder aus meinem Papierkorb geklaubt. Er meinte, ich wolle ja bestimmt nicht länger behaupten, es zu tragen sei eine Lüge. Denn ich sei echt ein sexy Girl, aber darüber hinaus noch viel viel mehr für ihn. Dann hat er mich verliebt angelächelt und wir haben uns schon wieder geküsst. Es hat schließlich noch eine ganze Weile gedauert, bis Jan wirklich nach Hause gegangen ist. In der ersten Nacht darauf konnte ich kaum schlafen vor lauter Glück. Zugegeben, ein bisschen Angst war auch dabei, dass ich mir alles bloß eingebildet hätte. Habe ich aber nicht. Jan und ich sind jetzt schon fast ein halbes Jahr zusammen.
Als ich mit meinen Eltern in den Sommerferien drei Wochen am Atlantik bei Biarritz war, durfte Jan sogar für eine Woche nachkommen, um dort an der Sprachschule einen Französischkurs zu belegen. Also eigentlich hat er mehr nur einen halben belegt, weil er die andere Hälfte der Zeit dann
doch lieber am Strand verbracht hat, mit Surfen, mit Schwimmen und mit mir natürlich. Aber das konnte er sich auch wirklich gönnen, finde ich, denn Jan war vorher mit einer zwar knappen, aber doch sensationellen Zwei in Französisch und einer Drei in Mathe versetzt worden. Nachhilfe braucht er deshalb jetzt nicht mehr, aber es ist ja wohl klar, dass uns noch genügend anderes einfällt, wie wir unsere Zeit miteinander verbringen. Wobei die anderen aus der Schule noch lange gedacht haben, wir treffen uns nur zur Nachhilfe. Schon witzig: als alle dachten, wir seien zusammen, trafen wir uns nur zur Nachhilfe. Und als wir dann zusammen waren, dachten alle, wir treffen uns nur zur Nachhilfe. Aber auch wenn wir jetzt zusammen sind, heißt das nicht, dass wir wirklich alles zusammen machen. Wenn Jan zum Beispiel Fußballtraining hat, übe ich auf meinem neuen E-Bass, den ich mir in den Sommerferien endlich habe kaufen können. So fleißig war ich noch nie bei etwas. Aber weil ich meine Gitarre auch mit Jan verbinde und beim Spielen immer an ihn denke, übe ich wahnsinnig gern.
Ich denke sonst natürlich auch ständig an Jan und daran, dass ausgerechnet ich jetzt dieses Glück habe, seine Freundin zu sein. Meiner Freundin Patricia schwärme ich ziemlich oft davon vor, aber ich habe ihr trotzdem noch nicht verraten, dass Jan und ich auch miteinander kochen. Ich finde, ein Geheimnis muss sein, selbst beste Freundinnen brauchen nicht alles zu wissen. So wie auch Eltern nicht alles wissen müssen, schon gar nicht, dass eine tote Katze in ihrem Garten begraben ist.
Was ich Patricia allerdings sofort erzählt habe, war die
sensationelle Neuigkeit, dass ich überhaupt mit Jan zusammen bin. Patricia hat sich auch sofort für mich gefreut. Und ich habe mich sofort gefreut, dass ich sie noch zur besten Freundin habe, die sich sofort für mich freut und nicht an sich denkt und dass sie Jan nicht selbst bekommen hat. Sie hatte nur Angst, dass ich ab jetzt ausschließlich mit ihm meine Zeit verbringe und nicht mehr mit ihr. Aber mit wem außer ihr sollte ich wohl über Jan reden?
Während Patricia Angst hatte, mich wegen Jan nicht mehr zu sehen, hatte Marie Angst, Jan wegen mir nicht mehr zu sehen. Deshalb hat sie sich dann doch nicht sofort gefreut, als sie von Jan und mir
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