Nachhinein
schleimhautige Tore …
Langsam beuge ich mich weiter vor. Nasen- und Fußspitze nähern sich einander. Die Warze riecht nach nichts. Auch nicht nach Miriam.
Miriam ist fast groß, fast schwer, fast erwachsen. Sie turnt in der älteren Gruppe, die nicht mehr flink, dafür aber fließend über die Geräte zieht, und wenn sie Anlauf nimmt, wippt alles an ihr.
Bodenturnen und raue Matten haben die Leggins, die sie trägt dünn geschmirgelt. Hautfarbenes schimmert durch weißen Stoff.
Ich kann die Diagonalen sehen, die ihre Unterhose rechts und links über die Pobacken zeichnet. Beim Warmmachen beobachte ich, wie sich die Spitze des Unterhosen-Vogel-Vs auf die Arschritze zu bewegt. An manchem Tagen stört sie das. Dann zupfen die Finger am V, entschärfen seinen Winkel und machen ein U draus. Das U ist eine Enttäuschung. Es fehlt ihm jeder Reiz. Lahm und langweilig verblasst es neben dem V, welches, neben dem X (sexy), den zweiten verhexten (versexten?) Buchstaben des Alphabets darstellt.
Das V scheint mir eine Art Vorbote für Interessantes zu sein; ein Buchstabe, der sich was traut. Hinten spaltet er Pobacken, vorne vollendet er Torsi; auf der Betonmauer neben den Fahrradständern eröffnet er schamlos das verbotene Wort. VOTZE steht da, grell auf grau. Ich les es wieder und wieder, sag es mir leise vor, flüster’s in mich hinein, den ganzen Heimweg lang. Votze-Votze-Votze.
Spricht’s und wünscht sich gespaltene Pobacken. Zwei Diagonalen Richtung Hüfte. Was Gequetschtes, wie es die Miriam hat. Zwei Einschnitte in pralles Fleisch. Erst wird man rund, dann kommen die Votzen-Vs. Ich beobachte das schon länger … Bei mir rundet sich nichts.
Aber ich weiß mir zu helfen. Heimlich führe ich diverse Wäschestücke (denen ich eigentlich längst entwachsen bin) aus dem Kleidersack in meine Schubladen zurück. Abends, nach einem Tag in schnürend enger Unterwäsche, bespeichle ich den kleinen Finger und fahre meine Druckstellen ab. Die Höschenzeichnung verschwindet über Nacht.
Meine Methode, mein Vortäuschen von quellendem Fleisch, funktioniert ausgezeichnet.
Den eigenen, V-verzierten Hintern in der Spiegelung der Turnhallenfenster zu sehen, ist das Größte. Wenn ich könnte, ließe ich mir glatt ein Hinterkopfauge wachsen, so sehr verzückt mich der Anblick.
Miriam hatte übrigens kein Glück.
Sie ertrank in der Schussen.
Überrascht hat mich das nicht. Es schien die logische Konsequenz jener unheilvollen Weiblichkeit, welche alle Vs in meiner Umgebung weich und verwundbar machte und ihnen obendrein eine monatliche schmerzhafte Steuer abverlangte. Irgendwo schienen Gezeiten und Gletscherzungen immer einen neuen Stein zurechtzuschleifen, an dessen Spitze schöne, wunde Weibchenwelten wie Seifenblasen zerplatzen würden.
Zu wissen, dass Miriam im Bikini gestorben ist, fand ich tröstlich. Wenn ich mit meinen Eltern an der Schussen entlangspazierte, versuchte ich, mich in die Rolle der Schicksalsfee zu versetzen, und überlegte, wie und an welcher Uferstelle ich Miriams Leiche drapiert hätte. Meist sah ich sie auf einer Sandbank in der Mitte des Flusses, Schultern und Haare wasserumspült, Hintern und Beine, vom Hügel erhöht, umschmiegen die sandige Kuppe. Das Seitenschleifchen der Bikinihose hat sich gelöst. Offene Bändel verzieren ihre Hüftknochen wie rosa Luftschlangen. Die Sonne streift ihre Haut mit strahlenden Fingern. Auf den Pobacken glitzern Quarzkristalle. Weiter unten erzählen blaugefleckten Schenkel vom Schwebebalken. Auf der Rundung ihrer Ferse entdecke ich ein gutartiges, kreisförmiges Geschwulst.
Mein Warzenzeh salutiert Richtung Sandbank. Gemeinsam verabschieden wir die infizierte Freundin.
Nicht lange nach Miriams Beerdigung erfahre ich aus zuverlässiger Quelle, dass man Fotze mit F schreibt.
Ich kann das bis heute nicht akzeptieren.
24.
Blassblaue Tagebuchaufzeichnungen auf 80g/qm Recyclingpapier in Schreibheft (16 Blatt, DIN A5, Lineatur 1):
»Ich weiß nicht welches Datum wir haben, aber ich weiß, daß ich jetzt normalerweise in der Schule sitzen sollte. Aber ich habe vor irgendetwas Angst. Das Dumme ist nur, ich weiß nicht, vor was ich mich fürchte, aber ich fürchte mich.
Ich fühle mich der ganzen Welt einfach nicht gewachsen. Und jetzt ist es eh zu spät. Ich werde harte Schläge bekommen, das heißt keine Gnade! Jetzt werde ich nicht mit in den Urlaub dürfen, aber das ist normal, daß ich in den Ferien zuhause sitze.
Niemand versteht mich richtig, es
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