Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachhinein

Nachhinein

Titel: Nachhinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kraenzler
Vom Netzwerk:
miuhsik in de saaaaaaaaaaaaaaaaan! / Aim a Joker / Aim a smokah / Aim a midnait tokah / Ai get mai lovin ohn de ran ⁠… / Ooooooooohhhhhh, ooooh, uuuuuuuuuh, uuuuuuuuuuuuhh!”
    Der Joker muss dieser Maurice sein. Zweifelsohne ein Glückspilz ⁠… Schon sehe ich, wie es in JasminCelineJustines Mundwinkeln zuckt. Dabei bin ich noch gar nicht beim »lovey-dovey, lovey-dovey, lovey-dovey – ohl de taaaaim«-Teil, den ich, wenn gar nichts mehr hilft, einfach so oft wiederhole, bis sie aus Verzweiflung zu lachen anfängt.
    »Kam ohn baby nao, ail schou iu a guhd taim!!!”, brülle ich in den Wald – was immer das bedeuten mag.
    Irgendwann, nach einer ganzen Reihe »lovey-doveys« und unzähligen »ooooooohs-ooooooohs«, versagt meine Stimme, und ich bitte krächzend um eine kurze Verschnaufpause.
    Immer noch Nachmittag.
    Umraschelt von Spitzmäusen, die Köpfe auf Mooskissen, liegen wir da.
    Grübelnd betrachte ich die schwarzen, halbmondförmigen Erdschichten unter meinen Fingernägeln. Vorhin, als ich JasminCelineJustine vorgesungen habe, musste ich kurz an Ken denken. Die Frage, ob Joker und Fighter nicht vom gleichen Schlag sind, drängte sich auf.
    Mal sehen: zwei Sunnyboys mit Babys, lovey-dovey und breitbeinigem Cowboygang, von denen der eine in die Saiten, der andere in Kiefer haut. Brüder im Geiste. Leise beunruhigt summe ich die Melodie des Joker-Songs vor mich hin.
    Kann es sein, dass das Lied, das ich so gerne in den Wald brülle, in Wirklichkeit die Hymne der Angeber ist? Hat mir JasminCelineJustine am Ende etwa doch die richtige Rolle zugeteilt?
    Unwillig schüttelt sich mein Kopf. Trotzig bohre ich die Knöchel ins Moos.
    Bin ich eben Ken.
    Ist eh nur eine von vielen Farben, die mein Chamäleoncharakter anzunehmen versteht, denke ich und recke die Nase hoch.
    Mit adeliger Stimme und hoffärtigem Gesicht beschwöre ich abermals die Fichtenstämme, »kam ohn baby nao, ail schou iu a guhd taim«, bevor ich mich lässig ins Moos zurücksinken lasse und einem Eichhorn mit hübschen Augen nachpfeife. Neben mir grinsen JasminCelineJustine und die Minnie Maus auf ihrem T-Shirt um die Wette. Der Joker von Braun beglückwünscht sich zu diesem Erfolg.
    31.
    Hitze.
    Der Stromkasten vor dem Haus als glitzernder, grauer Quader. Ein kinnhoher Glimmerbrocken mit Tür, von dessen Innenleben ich nichts weiß. Sitze oben, baumelnde Beine über brummendem Verteiler, und warte.
    Es käme mir nie in den Sinn, die Hälfte des Tages schlafend zu vertrödeln, zumal mir der Schlaf an sich suspekt ist, und ich den Zustand des Suchens und Findens desselbigen, das Einschlafen, nicht leiden kann.
    Ich fürchte die Abende, das Erlöschen der Sonne, wenn Windhosen aus Ängstlichkeit unter den Schatten hervorkriechen und mich umkreisen. Fürchte das Gefühl zurückgehaltener Verzweiflungstränen, welches dem Eingehen in die Dunkelheit vorausgeht. Der tägliche Abschied von der Mutter bekümmert mich. Noch kniet sie am Bett. Kniet stets zu kurz. Man weiß, man wird die Augen schwärzen, Mutter und Zimmer und Welt ausschließen und an Orte verschwinden, die zu erreichen anderen unmöglich ist. Ich bin nicht allzu gerne dort.
    Für heute habe ich die Verblüffung beim Aufwachen, das Erstaunen darüber, dass die Rückkehr in dieses Fleisch mit Fingern erneut geglückt ist, bereits hinter mir. Die Verwunderung über meine erneute Teilnahme am Leben verschwand, wie immer, mit dem Krachen der ersten Cornflakes zwischen meinen Zähnen ⁠…
    Untätiges Sitzen bleibt die schwerste Übung.
    Schließlich wird die Unruhe unaushaltbar, und ich springe vom Verteiler, dessen Spannung mich mit kitzelnd bitzelnder Energie aufgeladen hat. Mein hautiger Überzug juckt und kribbelt und treibt mich an den Rande des Wahnsinns.
    Warum musste ich mich auch ausgerechnet auf den verdammten Kasten setzen?
    Die kurzen Beine, manische Muskelverbünde mit Kniescheiben, denen das Wachstum nie schnell und die Schritte nie lang genug scheinen, tragen (mal wieder) die Schuld. Ihr Mangel an Länge erzeugt unweigerlich ein permanentes Bedürfnis nach Erhöhung. Zielsicher steuern sie auf jeden Baum und jeden Schemel, jede Mauer und jeden Brunnenrand zu; stellen sich auf Schaukeln und Gepäckträger; begnügen sich nicht mit Vaters Rücken, wollen die Schultern reiten ⁠…
    Juckgereizt überquere ich die Straße, nähere mich deinem Fenster.
    Laterne und Rollladen trennen nur wenige Meter. Ich umfasse den graugescheckten Pfahl und bilde ein rechtwinkliges

Weitere Kostenlose Bücher