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Nachhinein

Nachhinein

Titel: Nachhinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kraenzler
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auf mich zufliegen sehe. Die meisten zielen erbärmlich schlecht. Umso mehr ärgert es mich, wenn ich mich dennoch ducken und ausweichen spüre.
    Arrogant ⁠…
    Ich rüttle und schüttle Gesicht und Frisur. Diese Missverständnisse sollen von mir abfallen. Sofort.
    Und nun? Was tun? Wohin mit der halb-verdorbenen Laune?
    Mir ist nicht nach Streiten zumute. Nicht heute.
    Vorbildlich friedliebend wärme ich meinen Blick so lange am Gold der Felder, bis mein Missmut geschmolzen und meine Miene aufgehellt ist. (Erstaunlich, wie schnell das geht.)
    Es verstreicht ein weiteres Stück Nachmittag.
    Wir sitzen noch immer, sie und ich, in Stille und Eintracht auf unserem Eichenthron. Zu unseren Füßen die Heimat.
    Derselbe Tag. Unter derselben, nach Mittag schrecklich faul über den Himmel schleichenden Sonne.
    Ich beobachte: Wind. Kornwogen. Vereinzelt auffliegende Vögel.
    Über mir winden sich Raupen um rundgeschwungene, tiefgrün-glänzende Eichenblattbuchten. Eine Prozession roter Ameisen nutzt die Maserung der Bodenbretter als Pilgerweg.
    Plötzlich langweilt mich der Hochsitz kolossal.
    Also runter und rein in den Wald, wo wir mit Stöcken auf Stämme einschlagen und populäres Liedgut brüllen.
    JasminCelineJustines Bruder hat ihr einst in einem plötzlichen, für ihn absolut untypischen Akt der Zuneigung eine Kassette überspielt. Um diese ungewöhnlich generöse Geste entsprechend zu würdigen, singen wir uns in der Regel zunächst durch die Bruder-Kassetten-Songs, bevor wir zu allseits bekannten Schlagern, Hörspielintros und Walt-Disney-Filmmusik übergehen.
    Drei Fichten rechts von mir erklingt jetzt die erste Strophe eines der wenigen Lieder, das ich nicht ausstehen kann. JasminCelineJustines Gesang schwillt im Verlauf der Melodie zu etwas an, was wenig mit unserem gängigen Gegröle gemein hat. Ich kenne diese spezielle Tonfallveränderung gut und ertrage das heftige, hilflose, über Wurzeln und Farnen ausgespiene Geschrei, das sich an jemanden zu richten scheint, der längst taub dafür geworden ist, nur schlecht. Aber noch ist’s nicht soweit. Noch wartet eine Reihe Strophen.
    Ich höre sie klagen: »Es kommt die Zeit – oooooooh / In der das Wünschen wieder hilft / Es kommt die Zeit – oooooooh / In der das Wünschen wieder hilft ⁠…«
    Ich persönlich halte nicht viel vom Wünschen, verachte den Wunschzwang unter schuppenden Himmeln. Es gefällt mir, wenn er fällt, der Stern. Er muss nichts weiter für mich tun.
    Es wird weitergesungen.
    Der Text ist vollgestopft mit Worten, die ich kaum über die Lippen geschubst kriege. Es »wird einmal zu schön, um wahr zu sein«. Irgendjemand nimmt »ein Schicksal in die Hände«. Die Zeile »alle werden wieder voreinander gleich« überspringe ich aus Prinzip. Ich will niemandem »gleichen«. Schon gar nicht denen, die aufs Wünschen hoffen müssen! Mit der Fußspitze prügle ich auf eine Baumwurzel ein. Was ist am Hier und Heute so schlecht? Die alberne Mäkelei am Jetzt macht mich wütend. Was für eine Dummheit. Dumm-Dumm-Dummheit. Schließlich sind der Wald, der Schuh, das Moos, der Vogel, meine kratzige Kehle, die schmutzigen Knie und der Rest der Abertausend Dinge langen Liste, welche mir das Jetzt, das ich mit der feuchtwarmen Luft in mich einsauge, zu bieten hat, alles, was ich habe. Eine Vergangenheit besitzen auch die Toten. Die Zukunft ist ein Horizont, auf den man nur zugehen kann. Das Jetzt allein macht alle Unterschiede.
    »Wünsch dir waaaaaaaaas / Wünsch dir waaaaaaaaaas / Wünsch dir was!«
    Endlich sind auch die letzten Wünsche und Strophen aufgebraucht. Ich sehe das an dieser Stelle übliche, von der sinnlosen Wünscherei verursachte, Leiden in JasminCelineJustines Gesicht.
    Das muss augenblicklich ausgetrieben werden. Ich will ihr Lachen sehen ⁠… Entschlossen greife ich zum Gegengift, schmettere es ihr entgegen, singe: »Sam pipel kahl mi de speis cowboy – YEAH ! / Sam kahl mi de gängsta ov looooooooooove / Sam pipel kahl mi Maurice ⁠…”
    Ein Pfiff in bester Bauarbeiter-Manier.
    »… bicahs ai spiek av de pompetehs av loooove”
    Natürlich habe ich nicht die leiseste Ahnung, was ich da singe. Egal. Cowboy, Love, den Namen Maurice und den »Sexy-Frau-läuft-vorbei«-Pfiff kenn ich, die sorglos hüpfende Melodie hör ich – mehr braucht es nicht, um zu begreifen, dass da einer fröhlich ist.
    »bicahs aim a pikah / Aim a grinnah / Aim a lover / Änd aim a sinnah ..”
    Was »Lover« heißt, weiß ich!
    »… pleiin mai

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