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Nachhinein

Nachhinein

Titel: Nachhinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kraenzler
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hellerleuchteten Eifelturms.
    Weniger spektakulär: ein Flüchtlingstross. Halbnackte Jungs mit zerfledderten, vor Dreck starrenden Verbänden und Gipsfüßen.
    Dann wieder Soldaten. Andere Anzugträger. Händeschütteln.
    Die alljährlichen sportlichen Großereignisse als Titten- und Arschparade. Fußballer, die sich im Eifer des Gefechts die Trikots vom Leib reißen. Schmunzeln und Kichern angesichts ihrer Stummelpimmel – da klingelt es. Missmutig klappen meine Hände das Buch zu. Ich trenne mich nur ungern von den bunten Seiten. Offensichtlich begeistert mich Lernstoff weitaus weniger als Sehstoff.
    41.
    17.10 Uhr.
    Ich schleppe mich und die Ledermappe über die letzte der siebzehn Stufen, die zu unserer Haustür führen. Tür und Briefkasten liegen in einer kleinen Nische, sodass weder Kasten noch Klinke von der Treppe aus zu sehen sind.
    »Hallo!«
    Stocksteif, die freie Hand an der Brust, stehe ich da und schnappe nach Luft. Ihr plötzliches Auftauchen aus der Briefkastenecke trifft mich, die ich in Gedanken schon beim Abendbrot bin, vollkommen unerwartet.
    »Ich hab auf dich gewartet.«
    »Das seh’ ich ⁠… Mann, hast du mich erschreckt!«
    »Hast du Zeit?«
    Ich kann mir das Seufzen nicht verkneifen. Nein, eigentlich habe ich keine Zeit. Was ich habe, ist ein Wolfshunger, und das seit Ewigkeiten! Wie einen störrischen Esel musste ich mich den ganzen Heimweg lang antreiben, mich anstelle von Zuckerstückchen und Karotten mit vorfreudigen Gedanken locken: Linker Fuß – ESSEN ! Rechter Fuß – KLAVIER ! Linker Fuß – du näherst dich dem Esstisch! Rechter Fuß – bald sitzt du am Klavier!
    »Wir sehen uns gar nicht mehr.«
    Ihre Augen sind zwei dringende Bitten. Das kleine, flehende Zittern in ihrer Stimme gibt mir den Rest.
    »Okay. Ich bring nur schnell mein Zeug rein.«
    Ich schleudere die Mappe in die Garderobe, wo sie Schuhen und Mänteln bis morgen Gesellschaft leisten wird. In der Küche greife ich mir, nachdem ich die Überlegung, mir ein Brot zu schmieren, als zu zeitaufwendig verworfen habe, eine fleckige Banane.
    »Ich bin da, aber ich geh’ noch mal raus!«, brülle ich Richtung Obergeschoss, wohlwissend, dass die Wahrscheinlichkeit, dass meine über ihre Schreibtische gebeugten Eltern mich gehört haben, gleich null ist. Kurzentschlossen fische ich einen schwarzen Filzstift aus dem Becher neben dem Telefon und bekritzle die auf dem Esstisch liegende Tageszeitung mit einer Nachricht. Die fetten Druckbuchstaben meines » BIN DRAUSSEN !« verdecken einen Gutteil des Leitartikels.
    Kaum dass die Haustür hinter mir ins Schloss gefallen ist, werde ich auch schon am Ellbogen gepackt und zum Gehweg gezogen. JasminCelineJustine steuert zielsicher auf den Klotz zu. Der »Klotz« ist ein würfelförmiger Steinblock, welcher in der Erde eines nahen, unbebauten Grundstücks festsitzt. Obwohl Grund und Block beidseitig von Gärten und Häusern umgeben sind, herrscht rund um den bemoosten, von hohem Gras umstandenen Stein stets eine eigentümliche Stille. In der ganzen Nachbarschaft gibt es keinen idealeren Ort zum Austauschen geheimer Informationen.
    Nichtsahnend nehme ich auf dem Klotz Platz und schäle meine Banane. Blind für die Geschichte, die meiner Freundin auf den Lippen brennt, plappere ich Nichtigkeiten, belanglose Lästereien über Lehrer und Mitschüler vor mich hin. Erst als die Stille neben mir bedenklich laut wird, begreife ich, dass sie auf die Gelegenheit wartet, selbst zu sprechen.
    Ich beeile mich, die Bananenschale im Nachbargebüsch zu entsorgen, und setze mein aufmerksames Zuhörerinnen-Gesicht auf.
    »Ich ⁠… Ich hab den Master getroffen.«
    Der Satz hängt in der Abendluft. Dieweil die finalen Silben verklingen, verschluckt der Wald den letzten Sonnenstrahl. Schlagartig fällt die Temperatur um mehrere Grad. Das Weiß ihrer aufgerissenen Augen zittert im gedimmten Dämmerlicht. Ich stelle überflüssige Fragen, deren Antworten ich längst kenne.
    »Welchen Master?«
    »Master Bison.«
    Ich suche in ihrem Gesicht nach den üblichen Anzeichen, die mir verraten, dass sie spielt. Ich finde sie nicht.
    »Wie das?«
    »Er ⁠… Er kommt zu mir nach Hause ⁠… besucht mich.«
    Kein Mundwinkelzucken, kein Wimpernzwinkern. Nicht der Hauch eines Lächelns. Die Stimme ein leises Krächzen.
    Ich versuche, den Gedanken, dass sie mich belügt, aus meiner Denkblase zu verbannen. Zu spät. Die Wut hat sich bereits in meinen Kieferknochen festgesetzt. Misstrauen beschwert mir die

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