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Nachhinein

Nachhinein

Titel: Nachhinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kraenzler
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das Meer erreicht hat, bemerkte der Abt, bevor er sich zum Gehen wandte.
    Das geschweifte Tempeldach ⁠… Sie wünscht sich einen der hellroten Ziegel. Sieht sich den Ziegel in sein Gesicht schmettern. Stellt sich vor, wie das gesegnete Stück Dach ihm die Nase bricht.
    Jetzt dreht es sich. Sie drehen sich wieder! Die Decke wird schwarz. Kein Fixstern, nirgendwo, nur Kreisen und Fallen und eiskalte Hände, kurz vor dem Kollaps. Manische Schweißdrüsen, aus denen ihr verflüssigter Abscheu in die Nacht sprudelt. Widerwille zermahlt und zerknirscht ihr den Zahnschmelz. Der Kopfschmerz wird zum Zaumzeug, das Backenzähne, Kiefer, Schläfen und Stirn verbindet. Ekel füllt den Zimmerwürfel wie Gelatine, in der das Bett zittert und wackelt und bebt. Ende und Regen kommen gleichzeitig. Sie hört die Tropfen am Rollladen klopfen.
    Liegen bleiben. Immer nur liegen bleiben, auf feuchten Laken, vollgesogen mit FALSCH , angstverklebt, hassverkrustet. Glibbern zwischen ihren Beinen. Wunde, dunkle Gänge, angefüllt mit Tausend Sporen. Sporen, die ihr Inneres befallen, die vielleicht Schichten bilden, grau-grüne, flaumige Schichten, wer weiß.
    Was liegt da, unterhalb ihres Halses? Nicht sie, nein. Ein vollgepumpter Hautsack, Herberge für Wucherungen und stinkenden Schlez, sonst nichts. Nichts.
    Bleiben, verschimmeln, verrecken in diesem Bett? Nur das nicht!
    Sie rollt sich über die Bettkante, steht in der Dunkelheit, nackt, atmend. Die Beine tragen noch. Raus, raus, egal wohin! Flucht um des Fliehens willen. Hose, T-Shirt, wer braucht schon Schuhe? Der Master schläft jetzt, die Mutter auch. Es kann sie niemand halten.
    Nackte Füße auf glatten Fluren. Die Haustür ist schwer. Draußen kein Mond und keine Sterne. Der Dienst der Laternen endet um Mitternacht. Das Dorf duckt sich. Bläulich-schwarze Wolkenbrocken nähern sich den Dächern. Himmel und Erde kommen sich nah. Was aufragt, droht zermalmt zu werden.
    Dumme, taube Nachbarn! Schlafen nichtsahnend weiter; hören die Warnung der Bäume nicht, in deren Wipfeln es klagend singt. Nur sie, sie hört. Hört, sieht und fühlt. Läuft durch die Nacht und fängt die Tropfen mit ihren Locken. Rennt mit Beinen, die im Nichts verschwinden. Das Aufflammen einer Wolke zeigt an, wo die Straße sich biegt. Schon naht das Ortsende. Aus Drippeln und Plätschern wird Peitschen und Prasseln. Heftige Böen treiben Tropfen wie Nägel in ihre Kopfhaut. Der Feldweg ist die Summe Tausender kieselkleiner Disteln. Aus Laufen wird Taumeln wird Humpeln. Grollende Wolken werfen Lichtbögen aus. Blitze ankern im Boden. Wasser und Spannung, alles entlädt sich. Haltloses Stürzen. Donnergebrüll.
    Sie hinkt am Wegesrand, gescheiterter Fakir mit zerstochenen Sohlen. Regenlawinen reißen an ihren Gliedern. Plötzlich erkalten die Tropfenkerne. Die Welt wird neu gekiest.
    Im Licht des nächsten Blitzes sieht sie, was sie sucht. Durch kniehohes Gras watet sie dem Krüppelbaum entgegen und schlingt die Arme um seinen Stamm. Das Echo der himmlischen Knallerei übertönt ihr Schluchzen. Sie verkrallt sich in verkohlte Rinde. Eine Mädchenschläfe klopft auf Holz. Dann hält sie still. Mit kurzem Nacken, den Blick aufwärts gerichtet, steht sie und wartet. Wartet auf das Blitzbündel, das ihr den Schmerz nehmen wird.
    Sie schreit. »Siehst du mich nicht? Ich bin hier! Hier! WARUM SIEHST DU MICH NICHT ?«
    Einfach entzündet werden, eine Flamme sein. Klare, heiße, helle Flamme. Für immer gereinigt von jeder Spur. Einen letzten Schrei ausstoßen. Ein letztes Mal die Wahrheit, auf welche der Frieden als leises, sanftes Erlöschen folgt. Gott gönnt es ihr nicht.
    Sie spürt sich noch immer. Diesen Körper mit seinem Gewebe, seinen Hüften, seinen Schenkeln, jenes vergiftete Ding, an dem die Kleidung klebt und nachzeichnet, was Master Bison berührt und gesehen und besessen hat.
    Gott kümmert sich einen Scheiß um sie. Spielt weiter mit den Elementen, würdigt sie keines Blickes.
    Sie rammt die Stirn gegen den Stamm. Ihr Schädel ist hart. Er bricht nicht so leicht wie damals. Rindenstücke lösen sich.. »Krüppel! Krüppel! Krüppel!« Die Welt, der Baum, sie selbst. Nichts, nichts, nichts ist mehr heil. Langsam ermüdet der Sturm. Innerhalb von Minuten verharmlost der Regen, umschmeichelt das Feld mit sanftem Tröpfeln. Die Chance zu verbrennen ist verstrichen. Der Südwind wird ihre Asche nicht nach Spanien tragen. Ihr Kopf hackt weiter Holz.
    Dann versiegt auch das Tröpfeln. Ein fetter Mond

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