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Titel: Nachricht von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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Füße abgeschlagen hatte, weil dieser versuchte, ihn auszutricksen. Sie wusste, dass es in jedem Menschen Gutes und Schlechtes gab und dass manche, aus freiem Willen oder gezwungenermaßen, den schlimmsten Teil ihrer selbst kultivierten. In diesem Augenblick fragte sie sich, was wohl aus Daniel geworden wäre, wenn er die gute Seite seiner Persönlichkeit entwickelt hätte, statt den schwierigen Weg einer Flucht nach vorn zu wählen, deren Ausgang zwangsläufig verhängnisvoll war.
    Für einige Sekunden schien die Zeit stehen zu bleiben. Jene wenigen Sekunden der Gunst, in denen sie beide wieder fünfzehn Jahre alt waren und sich zulächelten. In denen Daniel nie jemanden getötet hatte. In denen sie nicht Polizistin war. In denen Alice nicht verschwunden war. Die wenigen Sekunden, in denen das Leben noch voller Verheißungen war.
     
     
    Zwei oder drei Sekunden …
     
     
    Dann kam einer seiner Männer auf die Terrasse und zerstörte den gefährlichen Charme des Augenblicks.
    »Wir müssen los, Chef, sonst verpassen wir den Jamaikaner.«
    »Ich komme gleich zum Auto.«
    Daniel trank sein Glas aus und erhob sich.
    »Du kannst dich darauf verlassen, dass ich dir helfe, Maddie. Aber es ist vielleicht das letzte Mal, dass wir uns sehen.«
    »Warum?«
    »Weil ich bald sterben werde.«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Das sagst du schon seit Jahren.«
    Doyle rieb sich erschöpft die Augen.
    »Diesmal sind alle hinter mir her: die Russen, die Albaner, die amerikanische Finanzbehörde, die neue Generation hier im Viertel, die nichts mehr respektiert.«
    »Du wusstest doch immer, dass es so enden würde, oder?«
    »Früher oder später«, entgegnete er und gab ihr ihre Waffe zurück.
    Dann sah er sie ein letztes Mal an, und die Worte kamen spontan über seine Lippen:
    »Unser erster Kuss … ich denke noch oft daran.«
    Sie senkte die Augen.
    »Das ist schon über zwanzig Jahre her, Daniel.«
    »Stimmt, aber du sollst wissen, dass mich diese Erinnerung immer begleitet und dass ich es nicht bereue.«
    Sie hob erneut den Blick. Es war schwierig, das zu hören und zuzulassen. Es hatte auch etwas Beängstigendes, aber so war nun einmal die Welt – weder weiß noch schwarz. Und die Ehrlichkeit trieb sie dazu zu sagen:
    »Ich auch nicht, Daniel, nein, ich bereue es auch nicht.«


    Kapitel 15
    The Girl who wasn’t there
    Sie wusste nicht, dass die (wahre) Hölle die Abwesenheit ist.
    Paul Verlaine,
Amoureuse du diable
     
     
     
     
    In der Woche nach dem Treffen von Madeline und Doyle meldeten sich »spontan« neue Zeugen auf dem Revier, deren Aussage zu einer Wiederaufnahme der Suche nach dem weißen Lieferwagen führte. Mindestens drei Personen behaupteten, ein blondes Mädchen von etwa fünfzehn Jahren in einem Kombi gesehen zu haben, wie er oft von Handwerkern gefahren wurde.
    Dank dieser Aussagen wurde das Phantombild eines Mannes albanischen Typus von Ende dreißig erstellt, das mit Genehmigung des Staatsanwalts vom Crown Prosecution Service verbreitet wurde.
     
     
    Heimlich richtete Doyle eine Internetseite – www.alicedixon.com – zur Unterstützung einer Vereinigung ein, die Geld sammelte, um Hunderte von Aushangtafeln mit dem Foto von Alice in englischen Bahnhöfen, Bushaltestellen und Einkaufszentren zu finanzieren.
     
     
    Am 21. März wurden anlässlich des Sechs-Nationen-Turniers in Twickenham zweiundachtzigtausend Suchmeldungen an die Zuschauer des Rugbyspiels England – Schottland verteilt, ebenso beim Viertelfinale der Champions League – Manchester United gegen FC Porto. Alices Porträt wurde vor siebzigtausend Menschen, die im Stadion waren, und mehreren hundert Millionen Fernsehzuschauern für eine Minute auf dem Riesenbildschirm von Old Trafford eingeblendet.
     
     
    Ab diesem Moment trafen noch mehr Zeugenaussagen ein.
    Natürlich gab es etliche Anrufe von Verrückten, doch auch zahlreiche neue Spuren: Ein Arzt versicherte, Alice am Tag ihres Verschwindens im Eurostar nach Brüssel gesehen zu haben. Eine Prostituierte gab an, mit ihr in dem für seine Sexshops, Peep-Shows und »Schaufenstermädchen« bekannten Rotlichtviertel von Amsterdam gearbeitet zu haben. Ein Junkie schwor, sich in Soho einen »Heroin-Fix« mit ihr geteilt zu haben. Ein Lastwagenfahrer war sicher, sie in einem schwarzen Mercedes auf einem Autobahnrastplatz in Polen gesehen zu haben. Ein Tourist schickte der Polizei aus einem thailändischen Luxushotel ein Foto von einem Mädchen am Pool, das Alice zum Verwechseln

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